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Teufelsberg: Roman (German Edition)

Teufelsberg: Roman (German Edition)

Titel: Teufelsberg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Dannenberg
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ihres Großvaters, sie hatte sie selbst angenäht. Jetzt würden sie durch die Ritzen des Gehwegs ins Meer sinken, in die Wohnungen der Haie, eine Weile noch schimmern, dann dunkel werden.
    Als Annika auf der Matte in Reimos Wohnung lag, sah sie den Aschenbecher und den dunkelblauen Teppich voller Fusseln und Tabakfäden, und irgendetwas tat ihr weh. Sie schloss die Augen. Die Knöpfe schimmerten und wurden dunkel, schimmerten und wurden dunkel, wurden dunkel.
    Aber der Mond.
    Als Annika zum Fenster schlich, war der Teppich verschwunden, der Boden war glatt und kalt. Auch das Fenster hatte sich verändert, die Scheibe war rund und nach außen gewölbt.
    Ich träume also, dachte Annika, es gibt keinen Mond, und es gibt keinen Fluchtweg.
    Sie wusste, wenn sie erwachen würde, läge sie auf der Matte, und die Rollläden wären geschlossen.
    Nicht aufwachen, dachte sie.
    Auf dem Weg zum Fenster sah sie Reimo, im Schlaf ähnelte er einer fetten Frau. Annika fragte sich, warum sich so vieles aus der Welt mit in den Traum nehmen ließ, aber nichts aus dem Traum mit in die Welt. Es gab wohl eine Membran dazwischen, die nur zum Traum hin durchlässig war. Annika wollte die Membran zerreißen, das Fenster war die Außenhaut des Traums, aber als sie dagegenstieß, war die Scheibe hart und kalt. Die gläserne Halbkugel war über die Mittelachse gekippt, nur wenige Zentimeter, das Fenster ließ sich nicht weiter öffnen. Draußen gab es keine Straße, die Stadt mit ihren Lichtern war bis an den Horizont gerückt, davor stand ein schwarzer Wald. Die Wohnung lag nicht mehr im Hochparterre, sondern oben, zu hoch zum Springen. Annika wollte schreien, sie holte mehrmals tief Atem, und als sie die kalte Luft am Fensterspalt einsog, wurde ihr klar, dass sie wach war.
    Der Sommer ist vorbei, dachte sie. Heute ist Dienstag und Januar, der achtzehnte Januar.
    Die Luft roch nach Winter. Das Schnarchen hielt an.
    Annika wandte sich um und sah die Neue, Sylvia, auf dem Rücken liegen. Sie schnarchte mit offenem Mund. Annika war gestern in ihr Zimmer gezogen. Sylvias lange rotbraune Haare lagen über dem Kissen, das Gesicht war geschwollen. Ihr Mann hatte sie geschlagen, das hatte Falko erzählt, und der wusste es von Beate. Alle hassten Sylvias Mann, obwohl ihn noch keiner getroffen hatte. Annika hasste ihn nicht. Für sie waren Schläge ohne Bedeutung, sie trafen nur die Oberfläche, und darunter war nichts, auch das Innerste nicht. Das Innerste war eine einwärts gefaltete Oberfläche, wer eindrang, blieb trotzdem außen. Darum war niemand verletzbar und niemand verletzend, darum war Annika nichts passiert.
    Sie hörte aber Reimos Stimme: »Mit der Drahtbürste ficken werde ich dich. Mit dem Rohr mache ich dich fertig.«
    Vor ihren Augen gerann die Luft und wurde zu Reimos Gesicht, das näher kam, im Schatten der Schirmmütze sah sie seine Wangen und die farblosen Muttermale. Seine Unterlippe hing leicht herunter, die Augen sah sie kaum, aber sie wusste, dass sie dunkelgrün waren und dass Reimo immer nach oben blickte und den Kopf zugleich senkte. Annika fragte sich, warum er diese Anstrengung betrieb, warum er nicht einfach normal geradeaus sah, mit geradem Kopf und geradem Blick. Sie fragte sich vieles, wer die rostroten Steine der Bahndämme machte und ob man Kuckucksküken umerziehen konnte.
    »Du!«
    Reimo streckte seinen Zeigefinger aus. Annika wischte mit den Händen durch die Luft, aber Reimos Gesicht blieb da. Sie wandte sich ab, aber sein Gesicht blieb so nah an ihrem, dass ihr der saure Geruch seiner Haare in die Nase stieg.
    »Du!«
    Annika fuchtelte mit den Händen, kniff die Augen zusammen, drehte sich im Kreis, schrie.
    Sylvia fuhr aus ihrem Bett hoch. »Hallo?«, rief sie, »Annika? Annika?«
    Annika hörte das Piepen des Notrufs und Sylvias Stimme, und gleichzeitig hörte sie: »Du!« Sie schlug um sich, bis jemand sie festhielt.
    »Ruhig«, sagte Reimo.
    Annika traf jetzt nicht mehr auf Luft, sondern auf einen Körper. Sie fragte sich, wie Reimo in die Cardea gelangt war. Er hielt sie von hinten fest, und dicht vor ihrem Gesicht tanzte ein Knäuel, der scharfe Geruch nach Ammoniak schoss ihr in die Nase, sie hustete, es gab einen Ruck, plötzlich waren die Umrisse scharf. Sie erkannte eine Nachtschwester, eine aus der 5B, die ihr fragend in die Augen blickte.
    »Sie ist wieder da«, sagte die Schwester und ließ das ammoniakgetränkte Tuch sinken. Pfleger Ingo löste seinen Griff.
    »Kommen Sie mit, Frau Fechner«, sagte

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