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Teufelsengel

Teufelsengel

Titel: Teufelsengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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Weihnachtsbaums, der am Haupteingang des Centers vom Erdgeschoss bis in die zweite Etage ragte und dort beinah die Decke berührte. Er war mit bunten Kugeln und Päckchen geschmückt und ließ eine Flut von Kindheitserinnerungen auf Pia einstürmen.
    Sie hatte ein so starkes Bedürfnis, ihre Mutter anzurufen, dass sie die Hände fest ineinander verschränken musste, um nicht nach ihrem Handy zu greifen.
    Vollkommene Lösung aus alten Bindungen. Das war Veros Bedingung gewesen. Nur wenn sie sich von ihrer Vergangenheit lossagte, war ihr innere Freiheit möglich.
    Sie hatte Veros Forderungen erfüllt, eine nach der anderen. Es gab keine alten Freunde mehr und es gelang ihr kaum noch, sich die Gesichter der Eltern vorzustellen.
    Warum empfand sie dann nicht das Gefühl von Befreiung, das Vero ihr versprochen hatte? Wieso hatte sie den Eindruck, etwas Falsches zu tun? Etwas ganz Wesentliches zu vernachlässigen?
    Ruf sie an, drängte eine Stimme in ihrem Kopf. Sie wartet darauf. Sie macht sich furchtbare Sorgen.
    Immer wieder kam Pia mit dieser Stimme in Konflikt. Sie wollte und wollte sie nicht in Ruhe lassen. Ständig mischte sie sich ein.
    Deine Eltern haben Fehler gemacht, sagte die Stimme. Jeder macht Fehler. Aber das haben sie nicht verdient.
    Ehe Pia es noch richtig begriff, hatte sie das Handy aus  der Tasche gekramt und die Nummer gewählt. Sie zitterte am ganzen Körper.
    »Pia? Kind!«
    Die Stimme ihrer Mutter war voller Tränen. Voller Erleichterung. Voller Liebe. Es schnürte Pia die Kehle zu.
    »Wie schön, dass du dich meldest.«
    Die Sehnsucht in diesen paar Worten war kaum auszuhalten. Pia drückte das Gespräch weg. Sie richtete den Blick auf einen Nikolaus, der vor Hussel Position bezogen hatte und die Kinder mit kleinen Tafeln Schokolade beschenkte, setzte sich gerade hin und rang nach Luft.
    »Mama«, flüsterte sie. »Ich hab dich lieb.«
     
    Bert Melzig stieß die Tür des kleinen Ladens auf und wurde vom melodischen Klingeln dreier Glöckchen über seinem Kopf empfangen. Tattoos und Piercings stand in rot züngelnder Flammenschrift auf der schmierigen Schaufensterscheibe, doch es gab hier auch Gothic Zubehör zu kaufen, das volle Programm. Kopfschmuck, Ketten, Gürtelschnallen. Voodoopuppen. Pendel. Totenkopfuhren, Sargdosen und Handyhalter aus Fledermausflügeln.
    Die Luft hier drinnen war stickig und überheizt und roch nach Staub und Metall und Kaffee, der irgendwo auf einer Wärmeplatte am Leben erhalten wurde.
    Hinter einem raschelnden Vorhang kam ein Mann hervor, zwischen dreißig und vierzig, drahtig, mit strähnigem, blondem, kinnlangem Haar. Schuppen waren auf seine Schultern gerieselt und hoben sich vom Schwarz seines Pullis ab wie frisch gefallener Schnee.
    Der Mann blieb vor Bert stehen. Er stützte sich auf der  Glastheke ab, unter der Paletten angelaufener Silberringe darauf warteten, endlich mal gründlich geputzt zu werden, und sah ihn fragend an.
    Keine Begrüßung. Kein Wort.
    Okay, dachte Bert. Das kann ich auch. Schweigend zog er das Foto aus seiner Brieftasche und legte es auf die Theke. Es zeigte das Tattoo, das Thomas Dorau am Handgelenk getragen hatte.
    Der Mann warf einen kurzen Blick darauf und hob dann den Kopf. Mürrisch. Unwillig. Und eine Spur gelangweilt.
    »Ja. Und?«
    »Kriminalpolizei.« Bert hielt ihm seinen Dienstausweis unter die Nase. »Sagt Ihnen die Tätowierung etwas?«
    »Sollte sie das?«
    Allmählich verlor Bert die Geduld. »Wir können das Gespräch auch im Präsidium fortsetzen, wenn Ihnen das lieber ist.«
    Das Verhalten des Mannes veränderte sich schlagartig. Er nahm das Foto in die Hand, um es genauer zu betrachten.
    Bert wartete.
    »Nie gesehen. Kann mich auch nicht erinnern, schon mal irgendwo über was Ähnliches gestolpert zu sein.«
    »Wer könnte die Tätowierung denn ausgeführt haben? Bestimmt hat doch jeder Ihrer Kollegen seine eigene Handschrift, die man wiedererkennen kann.«
    »Sie haben ja keine Ahnung, was sich mittlerweile alles in dieser Branche rumtreibt.« Der Mann legte den Kopf schief. »Sieht wie eine saubere Arbeit aus, was natürlich täuschen kann. Ich meine, um das wirklich beurteilen zu können, müsste ich das Original vor mir haben.«
    »Das Original befindet sich am Handgelenk eines Toten.«
    Bert hatte schon so manchen erbleichen sehen, doch bei  diesem Mann verlief der Prozess geradezu spektakulär. Von einer Sekunde auf die andere zog sich sämtliche Farbe aus seinem Gesicht zurück. Die ungesunde Blässe seiner

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