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Teufelsengel

Teufelsengel

Titel: Teufelsengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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Buch.
    Ein Buch mit sieben Siegeln.
    Wie ein offenes Buch.
    Buch des Lebens.
    Das Buch der Bücher.
    Hatte Thomas Dorau geschrieben? Songs? Gedichte? Arbeitete er an einem Roman?
    In seiner kleinen Wohnung hatte nichts darauf hingewiesen. Anscheinend hatte der Tote nicht einmal Tagebuch geführt. Und auch die Band hatte nichts dergleichen erwähnt.
    Zwei Zimmer, Küche, Bad, insgesamt knapp vierzig Quadratmeter. Offiziell hatte Thomas Dorau Musikwissenschaft und Kunstgeschichte an der Uni Köln studiert, doch dort war er seit Monaten nicht mehr gesehen worden.
    Bert nahm sich vor, sich noch einmal in der Wohnung umzuschauen Nichts sagte so viel über einen Menschen aus wie die Umgebung, die er sich selbst geschaffen hatte. Und vielleicht hatte er ja beim ersten Mal auch etwas übersehen.
    Die Mutter des Toten hatte er noch nicht befragen können. Sie hatte nach der Nachricht vom Tod ihres Jungen einen schweren Schock erlitten und lag im Krankenhaus. Einen Vater gab es nicht. Der war vor Jahren tödlich verunglückt.
    Es existierte noch eine Exfreundin, die jedoch offenbar gerade durch Neuseeland trampte und nicht erreichbar war. Sie hatte allerdings angekündigt, in der ersten Novemberhälfte zurückzukommen.
    Obwohl erst zwei Tage seit dem Auffinden der Leiche vergangen waren, hatte Bert den Eindruck, ins Stocken geraten zu sein. Nichts schien im Fluss, alles verlief langsam und zäh.
    Weil ich noch keinen einzigen Anhaltspunkt habe, dachte er. Weil nichts greifbar ist außer einem kleinen, unscheinbaren Tattoo, das keiner einordnen kann.
    So war es immer am Anfang eines Falls. Das war normal. Alles ergab sich aus dem allerersten Puzzleteilchen.
    Er vergaß es bloß regelmäßig.
    Seine früheren Kollegen hätten ihn daran erinnert. Du weißt doch, wie es abläuft, Bert. Und damit wäre es gut gewesen. Er hätte an andere Fälle zurückgedacht, den Kollegen recht gegeben, seine Selbstzweifel richtig eingeordnet. Nach Dienstschluss hätten sie ein Bier zusammen getrunken und sich zum hundertsten Mal gefragt, warum jeder von ihnen immer wieder aufs neue um jedes Fitzelchen Sicherheit kämpfen musste.
    Hier in Köln war er noch nicht richtig angekommen. Es gab niemanden, der ihm auf die Schulter klopfte, wenn er zweifelte, an seiner Arbeit, an sich selbst oder an der Welt.
    Bert überquerte die Vogelsanger Straße. Stieß die nächste Ladentür auf. Und wurde wieder vom Geläut kleiner Glöckchen empfangen. Den ganzen Tag schon hatte er ein Déjà-vu nach dem andern.
    Er zog das Foto heraus und sagte seinen Spruch auf. Tippelschritte, dachte er müde. Es ging und ging einfach nicht voran. Aber das nahm er ohne Murren in Kauf. Solange er nur irgendwann irgendwo ankam.
     

Kapitel 6
    Schmuddelbuch, Donnerstag, 13. November
     Kann nicht schlafen. Vermisse Cal. Ausgerechnet heute ist er noch unterwegs.
    Ich kriege Alice nicht aus dem Kopf. Und nicht ihre Mutter, die mir mit monotoner Stimme von ihr erzählt hat.
    Ab und zu hatte ich das unheimliche Gefühl, dass sie ihre Tochter in mir gesehen hat. Obwohl das Mädchen äußerlich ein ganz anderer Typ war als ich. Ob Alice und ich uns verstanden hätten, wenn wir einander zufällig irgendwo begegnet wären? Alice.
    Ihr Zimmer.
    Bücher. Schreibzeug. Pflanzen. Gerahmte Fotos.
    Sie hat gemalt. Im Stil der Naiven, ein bisschen wie Henri Rousseau. Die Menschen mitten in der Bewegung festgehalten. Die Blätter der Dschungelpflanzen so plastisch, dass man meint, in die Leinwand greifen und sie anfassen zu können.
    Und über beinah jedem Bild spannt sich ein blauer Himmel mit einer strahlenden Sonne.
    Überall im Raum verstreut gesammelte Schätze. Ein breiter Fingerring aus buntem Muranoglas im Bücherregal. Auf der Fensterbank ein großer, vollkommen klarer Bergkristall. Ein getöpferter blauer Vogel auf dem Schreibtisch. Ein goldenes Ginkgoblatt, in Acryl gegossen, auf einem Stapel Briefe und Ansichtskarten.
    »Sie hat schöne Dinge gemocht«, hat ihre Mutter gesagt.
    Als wäre diese Erklärung nötig gewesen. Das ganze Zimmer war ja in Schönheit getaucht.
    Überall sonst im Haus war die Einrichtung schmucklos und karg. Es hingen nur Drucke an den Wänden. Im Wohnzimmer, im Flur, auch im Schlafzimmer, dessen Tür einen Spaltbreit offen stand.
    Kein einziges Bild, das Alice gemalt hatte.
    »Werden Sie wiederkommen?«, fragte Frau Kaufmann mich, als ich ihr die Hand gab, um mich zu verabschieden. Es war ein Flehen in ihrer Stimme, das mich schlucken ließ.
    »Wenn ich

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