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Teufelsengel

Teufelsengel

Titel: Teufelsengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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darf.«
    Alices Mutter nickte. Sie drückte ihr Taschentuch gegen den Mund.
    Ich drehte mich um und ging.
       Über Nacht war das Klostertor zu. Pia hätte an der Pforte klingeln müssen, um eingelassen zu werden, denn sie besaß keinen Schlüssel. Doch daran wagte sie nicht mal zu denken. Zwar kam sie mit Bruder Calvin, der die Aufgaben eines Hausmeisters und Pförtners erfüllte, ganz gut zurecht, aber Bruder Calvin fürchtete sich vor Vero fast so sehr wie sie.
    Er traute sich nicht, ihm in die Augen zu sehen, und fing schon an zu schwitzen, wenn er auf dem Hof an ihm vorbeigehen musste. Seit Pia das beobachtet hatte, war sie Bruder Calvin innerlich ein kleines Stück nähergekommen. Sie hatten eine Gemeinsamkeit, auch wenn Bruder Calvin nicht ahnte, dass sie darüber Bescheid wusste.
    Aber gerade weil Bruder Calvin Angst vor Vero hatte, war  er umso eifriger bemüht, es ihm recht zu machen. Pias Abwesenheit musste sich inzwischen längst herumgesprochen haben. Bruder Calvin hätte sich deshalb niemals getraut, sie einzulassen, ohne seinen Abt darüber zu informieren.
    Kurz nach Mitternacht. Es gelang ihr nur noch mit Anstrengung, die Füße zu heben. Und die Augen offen zu halten. Sie war den Tränen nahe.
    Fast hatte sie Sehnsucht nach dem Kloster. Sie sah es vor sich. Die dicken Mauern mit der Nacht verschmolzen, gesprenkelt mit Vierecken aus Licht, die wie Augen waren. Einige der Brüder blieben lange auf. Bis in die frühen Morgenstunden waren die Fenster ihrer Zellen erleuchtet.
    Vero selbst schien nie zu schlafen. Manchmal, wenn Pia in der Nacht aufwachte und sich ans Fenster stellte, um in den Garten zu schauen, erblickte sie seinen Schatten zwischen den Bäumen, wie er umherlief, den Kopf gebeugt, die Hände auf dem Rücken verschränkt oder in den weiten Ärmeln seiner Kutte verborgen.
    Er trug die Kutte nicht ständig, und Pia hätte nicht sagen können, welcher Vero schrecklicher war - der im Ordensgewand oder der in weltlicher Kleidung.
    Nach Mitternacht. Da gab es keine Möglichkeit mehr, sich bemerkbar zu machen, hi, hier bin ich, sorry, dass ich mich verspätet habe, ach, und übrigens: wie geht’s denn so, hab ich was verpasst? Nicht, nachdem sie das Gespräch mit Vero verpatzt, nicht, nachdem sie sich den ganzen Tag herumgetrieben hatte.
    Aber ihr fehlte allmählich die Kraft, noch länger durch die Straßen zu irren. Es war bitterkalt. Ihre Finger und Zehen waren gefühllos geworden, und vielleicht würden ihre Nasenspitze und die Ohrläppchen bei der nächsten Berührung mit einem hellen Klingen zerbrechen.
    Ein paar Nachtschwärmer begegneten ihr, angeheitert und ausgelassen. Ein Fahrradfahrer mit Aktentasche, der Schlangenlinien fuhr. Der eine oder andere Unglückliche auf dem Weg zurück in seine Einsamkeit.
    Pia drehte sich um.
    Seit vier, fünf Stunden wurde sie von einem Hund begleitet. Er hatte struppiges, schmutzigweißes Fell und ein Gesicht wie eine Maske, schwarz und weiß, exakt in der Mitte geteilt. Ein Streuner. Eine Wald- und Wiesenmischung. Die Sorte Hund, die im Zirkus für die lustigen Nummern zuständig ist. Die Sorte, die jedes Kinderherz schneller schlagen lässt. Die niemals sesshaft wird.
    Pia war dankbar für den kleinen Kerl. Mit einem drohenden Knurren aus tiefster Kehle schaffte er ihr die Typen vom Hals, die sie belästigen wollten. Und er leistete ihr Gesellschaft, das vor allem.
    Sie hatte ihm den Namen Snoop gegeben, weil sie fand, dass er wenigstens einen Namen haben sollte, wenn er schon kein Zuhause besaß, und weil er aussah wie einer, der so heißt. Dann hatte sie ihm ihr rotes Dreieckstuch mit den weißen Sternen umgebunden. Es war wie ein Versprechen gewesen, dass er bei ihr bleiben durfte, so lange er wollte.
    Er hatte es sich gutmütig gefallen lassen.
    Es war, als hätten sie all die Wochen aufeinander gewartet. Als könnte jeder den anderen sein Elend vergessen lassen.
    Snoop schaute Pia unverwandt an. Das rührte sie.
    Wenigstens einer, der sich um sie sorgte.
    Eine leise Regung in ihrer Erinnerung, in ihrem von Kälte, Hunger und Durst geschwächten Gehirn sagte ihr, dass sie sich irrte. Dass es zwei Menschen gab, denen es nicht gleichgültig war, ob sie lebte oder tot war.
    Ihre Mutter. Und ihren Vater.
    Doch auch der Weg zu ihnen war versperrt. Man konnte nicht alles hinter sich lassen und dann reumütig und klein - laut zurückgekrochen kommen. Pia musste das hier zu Ende bringen, ihr Leben wieder in die Hand nehmen und einen neuen Anfang

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