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Teufelsengel

Teufelsengel

Titel: Teufelsengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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besaß einen klaren, scharfen Verstand. Aber sie wollte Veros Worten glauben, ohne sie zu prüfen.
    Sie begehrte gegen Unrecht auf und gegen Gewalt. Aber sie ließ sich widerstandslos von Vero bestrafen.
    Sie wollte glücklich sein und watete durch Verzweiflung.
    Als sie sich endlich wieder in der Gegend auskannte, war sie am Melatenfriedhof angelangt. Pia mochte Friedhöfe, besonders wenn sie alt waren und von hohen Bäumen beschattet wurden.
    Nichts konnte die tiefe Stille der Toten stören.
    Nach den ersten Schritten auf den menschenleeren Wegen nahm Pia den brausenden Verkehr auf der Aachener Straße kaum noch wahr.
    Dies war ein Ort neben der Zeit. Hier galten andere Regeln.
    Ehrfürchtig betrachtete Pia die alten Grabmäler, las Namen und studierte Inschriften, während Snoop neugierig an Moos und Efeu schnüffelte. Wind kam auf, so schneidend, dass es ihr den Atem verschlug.
    Die Einsamkeit zwischen den Gräbern war vollkommen.
    Vergessene Blätter trieben raschelnd vorbei. Und drohten bei der leisesten Berührung zu zerbrechen.
    Die ganze Welt zu Eis gefroren.
    In den roten Grablampen brannten die Kerzen. Für jeden Toten eine Flamme. Ein kleines, flackerndes Weiterleben.
    Mittlerweile war Pia so müde, dass sie über ihre eigenen Füße stolperte. Sie war froh über die Bank, die neben einer der Grabstellen stand, und sank erleichtert darauf nieder.
    Emily Markus, geborene Klattens, lautete die Inschrift auf dem grünen Stein, Geb. 13. November 1930. Gest. 18. Mai 2004.
    »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Emily«, sagte Pia leise.
    Bald spürte sie die Kälte nicht mehr und nicht den scharfen Wind. Das gedämpfte Rauschen des Verkehrs auf der Aachener Straße und dem Melatengürtel war verstummt. Das Licht schien sich zurückzuziehen.
    Einen Moment ausruhen, dachte Pia. Nur einen kleinen, winzigen Moment.
     

Kapitel 9
    Schmuddelbuch, Donnerstag, 13. November
     Vielleicht bin ich altmodisch, na und? Ich bin ein gläubiger Mensch und werde meinen Glauben nicht verstecken. Sollen sie doch drüber lachen! Sollen sie doch!
    Wie froh ich bin, wenn ich endlich das Abi habe. Die Schule ist ein einziges Spießutenlaufen.
    Sie kommen sich so einzigartig vor, dabei sind sie alle gleich. Sie merken es nur nicht. Ihre Art sich anzuziehen, ihre Art, sich zu schminken, ihre Art, sich zu bewegen. Sogar ihre Träume sind gleich. Farblos, gewöhnlich und ohne Kraft.
    Ich sage nicht, dass ich besser bin als sie. Ich bin nur anders.
    Und ich bin unglücklich. Das vor allem. (Alices Tagebuch)
      Frau Dorau wusste nicht, welche Probleme ihr Sohn gehabt hatte. Sie konnte sich auch seine Angst nicht erklären. Sie hatte nur bemerkt, wie sehr er sich verändert hatte.
    »Sonst hat er mich jeden zweiten Tag angerufen«, sagte sie. »Und seit … etwa einem halben Jahr meldete er sich so gut wie nie.«
    Sie sprach langsam und stockend. Als bereitete es ihr Mühe, sich zu konzentrieren und Worte zu finden. Ab und zu weinte sie, lautlos und in sich gekehrt. Bert spürte, dass er  einen Menschen vor sich hatte, der unter der Wucht seiner Gefühle zusammengebrochen war.
    Er drängte sie nicht. Stellte kaum Zwischenfragen, hörte einfach zu. Frau Dorau redete wie zu sich selbst. Womöglich wurde ihr nicht einmal bewusst, dass sie zu Bert sprach. Manchmal bezog sie ihn formal in ihre Worte ein, doch als Person schien sie ihn überhaupt nicht wahrzunehmen.
    »Er hat mit seiner Freundin Schluss gemacht. Obwohl sie so eine nette junge Frau ist. Ich … kann es nicht verstehen.«
    »Wie ist ihr Name?«, fragte Bert.
    »Corinna. Corinna Wagner. Ein geradezu pathetischer Name, nicht wahr?«
    Ein kleines Lächeln umspielte ihre Lippen. Oder eher der Versuch eines Lächelns. Auf halbem Weg blieb es stecken.
    »Dabei war sie alles andere als das. Sehr verständnisvoll, sehr reif für ihr Alter. Sie ist zweiundzwanzig, genau wie … wie Thomas.«
    Wieder fing sie an zu weinen. Sie behielt das Taschentuch in der Hand, steckte es nicht in den Ärmel ihres Pullovers zurück. Es war völlig durchnässt, doch das schien sie nicht zu kümmern.
    »Corinna hat seine ständigen Auftritte toleriert, seine Tourneen mit der Band. Sie hat niemals ein böses Wort über seine Musik verloren, ihn nie zu einem Spinner erklärt, der einer Schimäre nachjagte, wie das so viele andere getan haben. Das Mädchen hat treu zu ihm gehalten. Und dann, eines Tages, aus heiterem Himmel schickt er sie weg. Verstehen Sie das?«
    Es war eine rhetorische Frage, die

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