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Teufelsengel

Teufelsengel

Titel: Teufelsengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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grünen Augen, trug das dunkelblonde Haar meistens zu einem wippenden Pferdeschwanz gebunden, und ihre Hände waren so klein, dass ihr Anblick unweigerlich Beschützerinstinkte weckte.
    »Machst du Witze? An meiner Entschlusslosigkeit. Wie immer.« Calypso zählte ab. »Ene, mene, miste, es rappelt in der Kiste. Ene, mene, meck, und du bist weg.«
    Die Wahl war auf den Kirschstreusel gefallen. Calypso zögerte und griff nach dem Apfelkuchen.
    »Warum nimmst du nicht die Dreigroschenoper? Da sind ein paar tolle Stellen drin. Und Brecht kommt immer gut.«
    Ich kann nicht immerzu weglaufen.
    Was, zum Henker, hatte Pia damit gemeint? War sie weggelaufen? Und dann von Romy aufgegabelt worden? Und wenn ja, wovor war sie weggelaufen?
    Sie hatte nicht ausgesehen wie jemand, der Probleme mit seinen Eltern hatte. Sie hatte nicht mal ausgesehen wie eine, die überhaupt Eltern besaß.
    Dieses Mädchen war Calypso ein Rätsel.
    »… das Original von John Gay? Kann ich dir ausleihen, wenn du willst.«
    »Entschuldige. Was hast du gesagt?«
    »Vergiss es.« Tonja leckte sich die Finger ab und widmete sich ihrem Kaffee. »Mit dir kann man erst wieder reden, wenn du diesen Workshop und das Vorsprechen hinter dir hast. Wann ist das noch mal? Samstag?«
    Calypso nickte. Dann fuhr er zusammen.
    Samstag!
    Das war ja schon übermorgen. Und er hatte noch keine Textstelle rausgesucht. Vom Auswendiglernen ganz zu schweigen. Unangenehme Erinnerungen an seine Schulzeit kamen in ihm hoch. Sogar beim Vorlesen hatte er sich verhaspelt.
    Und warum wollte er dann unbedingt Schauspieler werden?
    Um … weil … Mann, war ihm schlecht.
    »Zischst du jetzt bitte wieder ab?«, fragte er und warf Tonja eine Kusshand zu.
    Tonja fing seinen Kuss auf und drückte ihn ans Herz. Mit einem schiefen Grinsen schnappte sie sich das Tablett und verschwand.
    Calypso machte die Augen zu und beschloss, sie erst wieder zu öffnen, wenn er sich entschieden hatte. Und weil seine  Lider vor Anspannung zuckten und er das nicht lange aushielt, entschied er sich schnell.
    Oscar Wilde.
    Er würde ihnen Das Bildnis des Dorian Gray um die Ohren hauen.
    Erleichtert raffte er die Bücher zusammen und stopfte sie ins Regal zurück. Dann legte er sich mit dem Roman aufs Bett und schlug die erste Seite auf.
    Der schwere Duft der Rosen zog durch das Atelier … Mitten im Raum stand auf einer Staffelei das lebensgroße Porträt eines ungewöhnlich schönen jungen Mannes …
    Wenig später hatte er sich in die Handlung vertieft. Er war nicht für jedes Mädchen verantwortlich, das da draußen auf der Straße herumlief. Er konnte nicht die Last der andern tragen. Nicht jetzt, wo seine eigene schwer genug war.
    Ich drehte mich halb um und sah Dorian Gray zum erstenmal. Als sich unsere Blicke trafen, fühlte ich, dass ich blass wurde. Ich hatte die merkwürdige Empfindung eines Schreckens …
    Der erste Schritt war getan.
    Calypso fühlte sein Herz pochen. Sein Körper schüttete Adrenalin aus.
    Er war auf dem richtigen Weg.
     
    Pia war so erschöpft, dass ihr die Tränen kamen. Snoop, der ihre Niedergeschlagenheit spürte, wich nicht von ihrer Seite. Alle paar Sekunden blickte er zu ihr auf mit diesem sanften Blick, in dem all seine Zuneigung lag und sein ganzes Vertrauen.
    Sie hatte noch immer nicht den Mut aufgebracht, Vero unter die Augen zu treten. War weitergelaufen, weiter und weiter. Längst achtete sie nicht mehr auf Straßenschilder oder andere Hinweise. Es war ihr egal, wo sie sich befanden.
    Du kannst zu deinen Eltern fahren. Du kannst trampen, dann brauchst du kein Geld.
    Pia schüttelte den Kopf. Unmöglich. Das wäre so, als würde sie einen Gedanken nicht zu Ende denken. Sie war doch ein vernunftbegabtes Wesen. Sie studierte Philosophie. Nichts anderes hatte sie je gewollt.
    Es gab kein Problem, das man mit dem Verstand nicht lösen konnte.
    Und die Liebe?
    Denn dass es Liebe war, was sie mit Vero verband, wusste sie so genau, wie sie wusste, dass er ihre Gefühle nicht erwiderte, nicht erwidern konnte.
    Nicht auf die Art, wie sie für ihn fühlte.
    Sie liebte Vero nicht, wie sie im letzten Schuljahr Jan geliebt hatte. Die Gefühle für Jan verblassten neben denen für Vero zu einem silbrigen, flüchtigen Band in ihrer Erinnerung, beinah schon vergessen.
    Jan war Wasser gewesen. Vero war Feuer. Von Jans Blick hatte Pia sich getröstet gefühlt. In Veros Augen verbrannte sie.
    Sie war eine selbstbewusste junge Frau. Aber sie hatte das Bedürfnis, Vero zu dienen.
    Sie

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