Teufelsflut
Gesicht und seinen Händen ansehen konnte. Paula schätze ihn auf Mitte vierzig. Er hatte einen federnden athletischen Gang und einen energisch, aber keineswegs humorlos wirkenden Gesichtsausdruck. Schon beim Eintreten hatten seine intelligent aussehenden blauen Augen alle Anwesenden gemustert, als wollte er jeden Einzelnen für immer in seinem Gedächtnis abspeichern.
Burgoyne trug eine Tarnjacke und eine beige Hose mit messerscharfen Bügelfalten. Seine braunen, auf Hochglanz gewienerten Schuhe hatten dicke Gummisohlen, auf denen er sich leise wie eine Katze bewegte. Er schaute Paula an und strich sich mit der flachen Hand die Tarnjacke glatt.
»Entschuldigen Sie bitte meinen Aufzug. Er lässt mich wie einen Raufbold aussehen, der ich vielleicht sogar bin. Aber es gibt ja heutzutage so viele von dieser Sorte, da falle ich wahrscheinlich gar nicht weiter auf«, fügte er lächelnd hinzu. »Und Unauffälligkeit ist in unserem Geschäft ja schließlich erwünscht, oder?«
»Bitte, setzen Sie sich«, sagte Tweed in neutralem Ton.
»Vielen Dank. Sie müssen wohl Tweed sein.«
»Ja. Und wie sollen wir Sie ansprechen? Wir verwenden hier gern den Vornamen.«
»Von mir aus. Aber nennen Sie mich bitte nicht Alan«, sagte Burgoyne.
»Ich mochte den Namen noch nie. Warum sagen Sie nicht einfach Chance zu mir? Das war mein Spitzname in der Army.«
»Warum Chance?«, fragte Paula.
»Ganz einfach weil ich auch dann meine Aufträge durchgeführt habe, wenn die Chancen dafür alles andere als gut standen. Aber verstehen Sie mich nicht falsch: Ich bin dabei nie ein unkalkulierbares Risiko eingegangen.«
»Das geht aus Ihrer Personalakte eindeutig hervor«, bemerkte Tweed.
»Dem zufolge, was dort steht, wussten Sie Ihre Risiken offenbar recht gut einzuschätzen.«
»Ich kenne einen General, der Ihnen in dieser Hinsicht bestimmt nicht zustimmen würde. Ein aufgeblasener Wichtigtuer im Generalstab, der nie selbst im Feuer gestanden hat. Ich vermute, dass ich eine Erklärung unterschreiben muss, falls Sie mich in Ihr Team aufnehmen wollen.«
»Haben Sie schon einmal eine offizielle Geheimhaltungserklärung unterschrieben?«
»Ich kann Ihnen die offizielle Geheimhaltungserklärung sogar auswendig herunterbeten«, sagte Burgoyne und lächelte dabei Newman an. »Und zwar auch rückwärts, wenn es sein muss. Vielleicht ergibt sie auf diese Weise sogar einen Sinn.«
»Mit dieser Einschätzung stehen Sie nicht allein«, sagte Newman und lächelte. »Wir halten auch nicht allzu viel davon.«
Paula betrachtete Burgoyne genau. Es gefiel ihr, dass er gesagt hatte: ›…falls Sie mich in Ihr Team aufnehmen wollen.‹ Der Captain kam ihr zwar sehr selbstbewusst, aber in keiner Weise arrogant vor. Burgoyne blickte noch einmal in die Runde und schaute dabei nacheinander allen Anwesenden in die Augen. Hinter seinem Rücken hielt Monica ein Blatt Papier in die Höhe, auf das sie in großen Lettern »Paris?« gekritzelt hatte.
Tweed nickte, bevor er Burgoyne mit ernstem Blick anstarrte.
»Kennen Sie jemanden im Verteidigungsministerium, der mir Auskunft über Sie geben könnte?«
»Colonel Bernard Gerrard. Aber erwarten Sie von ihm keine Lobeshymnen auf mich.«
»Ich kenne ihn und werde ihn anrufen. Packen Sie schon mal einen kleinen Koffer für ein paar Übernachtungen, und kommen Sie morgen früh wieder hierher. Und jetzt würde ich vorschlagen, dass Sie zurück zu Howard gehen.«
»Na, was halten Sie von ihm?«, fragte Tweed, nachdem Burgoyne das Büro wieder verlassen hatte. »Sie sind schließlich diejenigen, die mit ihm zusammenarbeiten müssen.«
»Ich mag ihn«, sagte Paula spontan.
»Und mir kommt er wie ein ziemlich zäher Bursche vor«, meinte Newman.
»Wir können ihn ja mal ausprobieren«, sagte Marler.
»Ich bin mir bei ihm nicht so sicher«, sagte Butler zu Tweed.
»Draufgänger wie er könnten uns in Gefahr bringen.« Nield war derselben Meinung wie er.
Tweed bat Monica, ihm eine Verbindung zu Colonel Gerrard herzustellen. Ein paar Minuten später schwenkte sie den Hörer und nickte.
»Hallo, Bernard. Hier Tweed.«
»Lange nichts von Ihnen gehört. Bestimmt wollen Sie etwas von mir.«
»Da haben Sie Recht. Ich überlege mir gerade, ob ich einen Captain Alan Burgoyne in mein Team aufnehmen soll. Was halten Sie von ihm?«
»Er ist ein undurchsichtiger Zeitgenosse«, sagte Gerrard und machte eine kurze Pause. »Seit seinem Abschied vor einem Jahr habe ich keinen Kontakt mehr zu ihm. Halt, das stimmt nicht
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