Teufelsflut
Vermutlich hat er sie hier irgendwo In einer Art Versteck untergebracht, hinter einem lockeren Ziegel oder so etwas. Dort hat sie dann später, wenn er nicht mehr im Zimmer war, ein Helfershelfer herausgeholt, um sie per Telefon jemandem vorzuspielen.«
»Dann ist Goslar also immer noch in Paris?«, fragte Burgoyne.
»Darauf würde ich nicht wetten. Er reist sehr viel herum.«
»Sehen Sie dort!«, sagte Burgoyne plötzlich. »Auf dem Boden vor der Tür ins Badezimmer.«
»Nicht berühren!«, sagte Tweed. »Bob, nehmen Sie es vorsichtig mit einer Pinzette, und tun Sie es in einen Probenbeutel.«
Newman bückte sich und nahm aus einem kleinen Behälter, den er immer bei sich trug, eine Pinzette und einen Plastikbeutel. Dann nahm er mit der Pinzette vorsichtig das auf, was Burgoyne entdeckt hatte.
Nachdem er sich wieder aufgerichtet hatte, hielt er es ans trübe Licht, das durch das verschmutzte Fenster in den Raum drang.
»Ein Haar«, sagte Newman. »Ein gelb-blondes Haar.«
»Der Gelbe Mann«, sagte Paula mit ruhiger Stimme.
»Diesmal hat Goslar einen Fehler gemacht«, bemerkte Newman und blickte hinüber zu Tweed. »Sie haben ja gesagt, dass er das früher oder später tun würde.«
Tweed stand auf, und Paula nahm ihren improvisierten Keil unter dem Stuhlbein fort und steckte die Blätter in ihre Schultertasche. »Lasse nie etwas zurück, was später auf deine Gegenwart hinweisen könnte«, war einer von Tweeds Lehrsätzen, die er Paula vor langer Zeit beigebracht hatte.
»Das erklärt den teuren Drehstuhl«, sagte Tweed. »Für seine Aufnahmen musste Goslar gut sitzen. Aber verschwinden wir jetzt von hier. Der Geruch macht mich sonst noch krank. Ich habe schon zu viele solcher Bruchbuden in London gesehen. Außerdem habe ich noch ein paar Fragen an die freundliche Vermieterin.«
Die Frau stand mit verschränkten Armen und einem höhnischen Grinsen auf dem Gesicht unten an der Treppe und sah zu, wie die vier herunterkamen.
»Haben Sie das Zimmer jetzt genug durcheinander gebracht?«, wollte sie wissen.
»Wir sind gleich weg«, erwiderte Tweed lächelnd. »Aber vorher hätte ich noch ein paar Fragen an Sie. Wie heißen Sie?«
»Antoinette Markov, wenn Sie’s unbedingt wissen müssen. Meine Großeltern sind vor der Revolution aus Russland geflohen.«
»Gut für Ihre Großeltern. Und für Sie auch. Aber jetzt zu Ihrem mysteriösen Mieter. Wie hat er Ihnen die Monatsmiete bezahlt, von der Sie vorhin gesprochen haben?«
»Es hat angerufen. Mit einer ganz seltsamen Stimme. Und gleich darauf ist das Geld von einem Motorradkurier gebracht worden. Allerdings weiß ich nicht mehr, von welcher Firma er war.«
»Können Sie mir wirklich keine bessere Beschreibung des Mieters liefern?«, sagte Tweed forsch.
»Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß.«
»Und diese Begegnung auf der Treppe war wirklich das einzige Mal, dass Sie ihn gesehen haben?«
Tweed bemerkte, dass Madame Markov nach Gin roch, und fand, dass es zum Schnapstrinken noch ziemlich früh am Tag war. Schon nachmittags war sie vermutlich immer voll wie eine Haubitze, und deshalb nahm er ihr die Antwort sogar ab.
»Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass es das einzige Mal war. Wie oft muss ich Ihnen das denn noch sagen, bis es endlich in Ihren Schädel hineingeht?«
»Vielen Dank, Madame Markov. Sie waren ausgesprochen hilfsbereit.
Wir lassen Sie jetzt in Ruhe.«
Als sie schon auf der Straße waren, schrie die Frau Tweed in einer kreischenden, halb sarkastisch klingenden Stimme hinterher: »Wollen Sie nicht doch das Zimmer mieten? Es ist nur zwei Minuten vom Hotel Ritz entfernt!«
»Für einen Sprinter vielleicht«, sagte Newman leise.
»Eines verstehe ich nicht«, flüsterte Paula an Tweed gewandt, als Burgoyne gerade ein paar Schritte vor ihnen und Newman ein Stück hinter ihnen ging. »Sie haben gesagt, dass Goslar das Zimmer für seine Aufnahmen verwendet hat. Aber dann hat Chance das gelb-blonde Haar gefunden. Er hat übrigens gute Augen, unser Burgoyne.«
»Wie das Haar In unser Bild passt, kann ich Ihnen auch nicht erklären.
Ich werde vom Hotel aus Lasalle anrufen und ihn bitten, das Haar analysieren zu lassen. Butler kann es ihm in die Rue des Saussaies bringen.«
»Wird Ihr Puzzle jetzt langsam komplett?«
»Ich brauche noch einige Steinchen, aber vielleicht bekomme ich die ja bei meinem Gespräch mit Trudy Warner heute Abend.
Ich werde außerdem noch einmal versuchen, mit Serena Cavendish Kontakt aufzunehmen. Die Frau ist
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