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Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition)

Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition)

Titel: Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelie Wendeberg
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Lehnstuhl in der kleinen Einzimmerwohnung in der Tottenham Court Road. Weit zurückgelehnt, mit den Füßen auf dem zerschrammten Couchtisch, schaute ich mit halbgeschlossenen Augen hoch zur Decke. Es war die einzige Fläche in diesem Raum, an der die Tapete nicht abblätterte. Die Zimmerdecke war absolut glatt und eben. Ich hasste Ablenkung. Alle anderen Emotionen hatte ich ausgeschaltet, während meine Gedanken langsam um den Vortrag, das Publikum und die sichtbaren sozialen Verbindungen und Spannungen zwischen diesen Männern kreisten.

    rei Tage später holte Stark mich von zu Hause ab, und wir nahmen eine private Kutsche mit einem mir unbekannten Ziel. Mir fiel die Frische der beiden Braunen auf, ihr Fell schimmerte und war trocken und sie hatten keinen Schaum vor dem Maul. Unser Ziel konnte also nicht weit sein. Die dicken Samtvorhänge mussten zugezogen bleiben, doch das störte mich nicht. Ich kannte London gut; fast täglich ging ich durch diese Straßen.
    Die Fahrt dauerte fünfzig Minuten. Stark plauderte, und ich antwortete, während ich meinen eigenen Gedanken folgte und auf die Geräusche achtete, die die Räder auf dem Untergrund machten. Es hörte sich an wie das breite, flache Kopfsteinpflaster von High Holborn, einer großen und belebten Straße. Die Kutsche bog rechts ab, in eine kleinere Straße, gefolgt von den Geräuschen der Blackfriars Bridge und Great Surrey Street. Eine scharfe Rechtskurve sagte mir, dies könne nur Waterloo sein.Und, ja, wir überquerten den Fluss. Über diese Brücke ging ich mindestens dreimal pro Woche; ich würde sie im Schlaf wiedererkennen. Eine Wendung nach links brachte uns auf die Strand, mit all ihrem Treiben und Klappern. Dann der Pfiff eines ausfahrenden Zuges – wir mussten Charing Cross erreicht haben. Jetzt bog die Kutsche auf Regent Street ein, Piccadilly, St. James, Pall Mall und wieder und wieder, immer im Kreis.
    Nach einer Viertelstunde änderte sich das Muster. Zuerst kam es mir fremd vor. Vielleicht war ich noch nie hier gewesen, oder zumindest eine lange Zeit nicht mehr? Aber die Enten, die hungrigen, aufgeplusterten, frierenden Enten, die die Vorübergehenden um einen Happen zum Abendessen anbettelten, verrieten es – wir passierten St. James Park auf der südlichen Seite. Dann bogen wir links ab und hielten an. Wir mussten irgendwo um Kings Road und südlich des Palace Garden sein.
    Unser Ziel war eine große Villa. Aus allen Fenstern floss Licht auf den bräunlichen Rasen. Es wehte eine steife Brise, und die alten Platanen krallten ihre dürren Äste ineinander, die gefleckten Stämme schimmerten im eisigen Regen. Das einzige Grün zeigten die kunstvoll getrimmten Koniferen, die die Zufahrt zum Haus säumten, und der mit Algen überzogene Brunnen, aus dem Wasser träge über die Ränder plätscherte.
    Unsere Schritte knirschten auf dem Kies, und kurz darauf betraten wir das Haus. Bedienstete nahmen uns die Mäntel ab, bürsteten sie und hängten sie auf, während Stark und ich die Halle durchschritten und ein großes, holzgetäfeltes Raucherzimmer betraten. Umgeben von einem Kaminsims aus moosgrünem Marmor knisterte ein großes Feuer. Fünfzehn Männer saßen in dunkelroten Sesseln, rauchten, tranken Brandy und aßen Häppchenvom Buffet. Es waren keine Bediensteten anwesend. Dieses Treffen fand im Geheimen statt.
    Die Männer begrüßten mich per Handschlag, aber nicht alle schienen erfreut, mich zu sehen. Die Jüngeren streiften mich mit flüchtigen Blicken, manche unsicher, manche eifersüchtig, andere mit Hass. Ich lächelte sie an und nickte respektvoll. Meine Ruhe erstaunte mich. Doch mir war bewusst, dass mein Beitrag entscheidend war. Die Männer waren auf meine Expertise angewiesen, wenn sie ihre Ziele erreichen wollten.
    Inzwischen wurde eine eigentümliche Hierarchie erkennbar. Die Gruppe kreiste um einen Mann mit einer hellgrauen Mähne und einem buschigen Schnurrbart von derselben Farbe. Heute war ich mir sicher, dass er der Kopf der Gruppe war. Dennoch schien es Untergruppen zu geben, die miteinander rivalisierten. Mit fortschreitendem Abend kam ich zu dem Schluss, die Führung innerhalb der kleinen Gruppen fußte auf Korruption und Intrigen, während die Herrschaft über das Gesamte auf Macht, Zwang und Furcht basierte. Das konnte ich zu meinem Vorteil nutzen.
    Der Schnauzbartmann stand auf. Alle verstummten.
    »Dr. Kronberg, Sie haben meinen Namen vielleicht schon einmal gehört, ich bin Dr. Jarell Bowden.«
    Ich nickte,

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