Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition)
erfolgt direkt durch den Vorsitzenden, der auch deren Mitglieder auswählt. Jede Information, die das Aufsichtsgremium erhält, wird zuerst von Standrincks gefiltert. Und alle Berichte des Gremiums gehen zuerst durch Standrincks’ Hände, bevor Sie an die Regierung weitergereicht werden.«
»Wozu braucht man dann das Gremium?«, fragte ich sarkastisch.
»Exakt! Sein einziger Zweck liegt darin zu zeigen, dass sich die Regierung um die armen Leute sorgt. Die Mitglieder werden honoriert und nehmen an den Sitzungen teil. Aber alles geht über Standrincks’ Tisch, ihre Entscheidungen sind also vollkommen irrelevant. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass ich Standrincks etwas Zeit widmen werde. Ich muss wissen, ob die Regierung in irgendeiner Weise involviert ist. Apropos – wie laufen deine Nachforschungen?«
Langsam verlagerte ich mein Gewicht von einem Bein auf das andere. »Ich teste den Tetanusimpfstoff an Tieren. Sie wollen auch einen Choleraimpfstoff, aber es mangelt an passenden Patienten, um die Erreger zu isolieren. Ich denke, dass der Club ziemlich bald welche liefert.«
Holmes versteifte sich. Vielleicht war es die Kälte in meiner Stimme. Ich beschloss, sie etwas zu modulieren. »Wir haben nun die Grenze der Testmöglichkeiten erreicht. Erst wenn wir sie an Menschen ausprobiert haben, können wir mit Sicherheit sagen, dass die Impfstoffe wirken.«
»Und das wirst du vorschlagen?« Seine Stimme war nun ebenso kalt wie meine.
»Das werde ich vielleicht müssen. Was wir momentan tun, ist immer noch legal.«
»Sie beschatten dich«, sagte er und wechselte vorsichtig das Thema.
Ich zog einen Mundwinkel hoch und sagte: »Ich weiß. Ich bin ihr neuestes Mitglied. Sie müssen sicherstellen, dass sie mir vertrauen können.« Nach einer kurzen Pause fügte ich hinzu: »Es ist nicht gut, dass du hier bist.«
»Du unterschätzt mich«, sagte er.
»Du mich auch.«
»Das glaube ich nicht. Aber was du machst, Anna, ist nicht gesund.«
Ich lachte bitter. »Du solltest dich selbst sehen.«
Kapitel Sechzehn
rei Tage darauf, spät abends, besuchte mich Stark und teilte mir mit, dass ein Cholerasubjekt ins Labor geliefert worden war.
Obwohl ich wusste, dass dieser Tag kommen würde, war ich darauf nicht vorbereitet. Ich starrte zum Fenster. Zu wissen, dass sich hinter dem dunklen Viereck das normale Leben weiterbewegte, gab mir etwas Kraft.
»Wie ist es geliefert worden?«, fragte ich. Es, es, es echote in meinem Schädel und wurde von den kalten Wänden zurückgeworfen wie Fledermausgeschrei.
»Frau aus Dundee, angeliefert in einer Kutsche«, antwortete Stark im Telegrammstil. Der Fakt brannte sich in mein Hirn – Dundee lag mehr als vierhundert Meilen weiter nördlich. Wie weit reichten die Tentakel des Clubs?
»Der Kutscher ist ein verlässlicher Mann. Wir haben ihn schon für andere … Aufgaben eingesetzt.« Stark kratzte sich am Kinn, in Gedanken versunken. Ich bemerkte die tiefe Kluft, die sich in dem Mann auftat. Er traute seinem jüngeren Kollegen nicht ganz, sollte aber sensible Informationen mit ihm teilen. »Er wurde gut dafür bezahlt, nicht auf die Geräusche aus der Kutsche zu achten. Wir haben ihm gesagt, sie sei geistesgestört und ernsthaft krank«, erklärte Stark. Er wurde lockerer. »Der Mann muss die Pferde wie der Teufel gepeitscht haben, so schnell wie er in London war!«, gluckste er und klatschte eine Hand auf den Oberschenkel.
Hitze stieg in meiner Brust auf. Ich atmete tief durch und befahl meinem Herzen, Ruhe zu geben, und meinen zu Fäusten geballten Händen, sich zu entkrampfen. In meinem Kopf war die Hölle los: Ich sah mich Stark bewusstlos schlagen, ihn an Armen und Beinen mit einem Seil fesseln und mit Cholera infizieren. Dann würde ich einige Tage abwarten. Wenn die Krankheit Stark in ein kotzendes und Eingeweide herausscheißendes Wrack verwandelt hatte, würde ich ihn draußen in der Kälte liegen lassen. Er könnte in seinen eigenen Ausscheidungen liegend, ohne Essen, Wasser oder ein einziges freundliches Wort seine letzten Tage verbringen. Ein Gerichtsverfahren wäre das Letzte, worum sich Stark Sorgen machen müsste.
Ich bemühte mich um ein angemessenes Maß an Interesse und Gelassenheit in meiner Stimme. »Dundee, sagten Sie. Das ist ein ganzes Stück bis London. Wer hat die Frau für den Transport vorbereitet?«
An dieser Stelle schwieg Stark einen Moment. Wahrscheinlich fragte er sich, ob er auch diesen Teil der Informationen preisgeben dürfte. Dann
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