Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition)

Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition)

Titel: Teufelsgrinsen: Ein Fall für Anna Kronberg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annelie Wendeberg
Vom Netzwerk:
gab er nach. »Ein Kollege von der medizinischen Fakultät in Dundee.«
    Eine signifikante Information. Der Club hatte so weit von London entfernt einen Arzt, der für sie arbeitete.
    »Haben Sie Vorkehrungen getroffen?«, wollte ich wissen.
    »Natürlich haben wir das!«, rief er beleidigt. »Sie hat keine Familie, niemand wird sie vermissen. Der Kutscher glaubt, sie erhält eine besondere Behandlung in unserer Fakultät.« Wieder das Seeteufel-Lächeln. »Machen Sie sich keine Gedanken, Dr. Kronberg – keiner wird es je erfahren.« Er griff nach meiner Schulter und drückte sie leicht.
    Wie ein Mensch so viel Scheinheiligkeit absondern konnte, ohne dabei tot umzufallen, war mir ein Rätsel.
    »Exzellent!«, antwortete ich. »Wurde die Kutschegründlich gereinigt?« Mich darauf zu konzentrieren, dass sich die Cholera nicht ausbreitete, und darauf, das Schlimmste zu verhindern, war das Einzige, was mich vor dem Durchdrehen bewahrte. Mein Herz schmerzte wie ein verfaulter Zahn.
    »Selbstverständlich!«, rief Stark aus und ließ meine Schulter los. »Das Innere des Wagens wurde von Ihren Assistenten desinfiziert. Sie haben auch sich selbst gereinigt und benutzen nun Ihre Erfindung – diese Masken – zusätzlich zu Kitteln und Handschuhen, wenn sie mit der Frau hantieren.« Das Verhör irritierte ihn deutlich.
    Mit anerkennendem Nicken ging ich zur Tür. »Ich muss die Erreger entnehmen, bevor sie stirbt«, sagte ich und nahm meinen Mantel vom Haken an der Tür. Stark tat es mir gleich, und wir nahmen eine Droschke zur Fakultät.
    Nur wenige Minuten später betraten wir mein Labor. Auf dem Boden lag eine zerbrechlich wirkende Frau, halb bedeckt von einer schmutzigen Decke. Obwohl sie zu schwach war, sich zu bewegen, waren ihre Arme hinter dem Rücken gefesselt.
    Ich spürte mich innerlich zerbrechen. Ein Teil von mir wusste, dass ich hierbleiben musste, ruhig und berechnend. Der andere Teil wollte schreiend wegrennen. Leise atmete ich ein, wieder aus, und fügte meine beiden Teile zusammen.
    Wir näherten uns der Frau. Ihre Atmung war fast nicht mehr hörbar.
    »Lassen Sie mich allein. Sie wollen das nicht sehen«, meinte ich. Stark schien denselben Gedanken zu haben.

    ch band ihre Hände los. Ihr Brustkorb begann krampfhaft zu flattern. Sie riss die Augen auf und sah mich neben ihr knien, öffnete den Mund, aber kein Wort kam heraus. Ihre Augen flehten mich an. Ich zog die Handschuhe aus und nahm ihre kalten, zitternden Hände in meine, als könnte ich ihr damit genug meiner Wärme geben, um sie ins Leben zurückzuholen.
    »Es tut mir so leid«, schluchzte ich und fühlte mich komplett nutzlos.
    Ihre Beine begannen zu zucken – der Verlust von Flüssigkeit und Mineralien löste unkontrollierbare, schmerzhafte Muskelkontraktionen aus. Und dann spürte ich es – und wünschte, ich wäre diejenige, die geht. Aber das war lächerlich. Niemand feilschte mit dem Tod.
    Ich griff nach einer Flasche Äther auf dem Regal über mir und schüttete reichlich davon auf ein Taschentuch. Sie roch es, und ich sah sie an, bat um Erlaubnis. Sie lächelte schwach, und ich presste ihr das stinkende Tuch über Mund und Nase. Noch lange, nachdem ihr Herz aufgehört hatte zu zucken, streichelte ich ihre verklebten Haare.

    ch desinfizierte meine Hände, Arme und Gesicht, zog die Handschuhe und die Gummischürze an und setzte die Maske auf. Dann führte ich der Frau einen dünnen Schlauch in das Rektum ein. An dessen anderem Ende steckte eine große Spritze, und ich extrahierte rund dreißig Milliliter einer schmutzig-grünlichen Flüssigkeit.
    Vorsichtig verteilte ich Tropfen davon auf Petrischalen mit solidem Kulturmedium, die meine Assistenten vorbereitet hatten. Die Hälfte der Schalen wurde unter Ausschluss von Sauerstoff gehalten, die andere Hälfte hatte Luftkontakt. Ich wusste nicht, ob Choleraerreger streng anaerob waren oder nicht.
    Die restliche Flüssigkeit schüttete ich in einen Messbecher und erhitzte sie zwanzig Minuten lang auf achtzig Grad Celsius. Nachdem sie abgekühlt war, verfütterte ich sie an die Hälfte der Mäuse und Kaninchen und markierte die Betreffenden mit einer kleinen rasierten Stelle am Bauchfell. Hoffentlich würde es niemand bemerken. Mit viel Glück hatte ich ohne das Wissen des Clubs in ein oder zwei Wochen einen Choleraimpfstoff. Vielleicht half das, ein paar Leben zu retten. Vielleicht machte es das wieder gut, was ich getan hatte.
    Dann bereitete ich einen Brief vor – ein kleines Stück Papier

Weitere Kostenlose Bücher