Teufelsherz (German Edition)
sporadisch Engel vorbei.
Die durchsichtige Brücke, die sich wie ein Regenbogen nach oben hin wölbte und einen Blick in weißes Licht bot, zeigte nur allzu deutlich, wo er sich hier befand. Ohne Geländer und sichtbaren Boden war es, als schwebe er über dem Abgrund, was aus der Ferne bestimmt seltsam aussehen musste. Doch in der Umgebung waren lediglich die vergoldeten Rahmen und Geländer von Bogenfenstern und Galerien zu erkennen, die sich matt vom warmen Licht abhoben. Auch wenn der eine oder andere Engel auf einem der Balkone erschien, war dieser stets in sich gekehrt und bewegte sich mäßigen Schrittes. Alle strahlten eine Heiligkeit aus, von der einem richtig schlecht werden konnte. Das Gute der Seelen, die von den Schutzengeln in den Himmel geführt worden waren, erfüllte diese Dimension bis in den letzten Winkel. Selbst Damian spürte den Frieden und das innere Gleichgewicht. Ein Hauch von Wärme, der an der Kälte seines Herzens und der Hitze seiner Rachsucht rührte. Ob der Himmel wohl tatsächlich einen verlorenen Engel wie ihn heilen konnte?
Nun, Damian war nicht neugierig darauf, es herauszufinden. Für seinen Plan brauchte er keine Ausgeglichenheit, sondern Zielstrebigkeit und einen eisernen Willen. Mit der Stille hier konnte er nichts anfangen.
In der Hölle ging es niemals so ruhig zu. Dort herrschte das Chaos. Unruhe gehörte zum Alltag, und die Luft war stets kurz vorm Explodieren. Mit jedem Atemzug wurde Zorn aufgesogen. Niemand musste lange suchen, um jemanden zum Streiten zu finden, denn Aggressionen schaukelten sich leicht auf. An diesen Ort würde er zurückkehren, doch noch befand er sich in Jahwes Palast.
Auf der anderen Seite der Brücke lag der abgeschiedenste Teil. Irgendwo hier mussten sich Jahwes private Räumlichkeiten befinden und auch jene der Erzengel. Anders gesagt: Alles, was von Bedeutung war, wurde hier untergebracht, so auch die verschiedenen Amulette.
Und zum Glück waren nicht alle Engel so stur wie die Empfangsdame an seinem ersten Tag. Manche waren durchaus gesprächig, wenn man sie nett fragte. Die Schutzengel ließen sich allesamt leicht verführen. Kein Wunder, dass es für seinen Vater damals ein leichtes Spiel gewesen war, seine Mutter in die Hölle zu führen. Im Zwielicht hatte er sie getroffen, im Licht der Zwischenebene, und ihr die große Liebe vorgegaukelt. Welch Vorteil es für einen Gott doch war, sich überall frei bewegen zu können. Luzifer hatte einen Schutzengel gebraucht, nachdem Todesengel und Menschen nicht das gewünschte Ergebnis erzielt hatten – und er hatte einen bekommen.
Auch Damian hatte von den Schutzengeln erhalten, was er wollte: Informationen. Einer von ihnen war sogar so freundlich gewesen, ihm einen Lageplan zu zeichnen. Und da er nichts anderes zu tun hatte und sein Schützling gerade brav in der Schule saß, schlich er die verlassenen Gänge entlang und zählte die Türen. Natürlich hätte er dieser Tätigkeit auch nachts nachgehen können, wenn Emily schlief, aber wieso auf später verschieben, was er gleich erledigen konnte?
An der sechsundzwanzigsten Tür rechter Hand hielt er inne.
»Hast du dich verlaufen?«
Damians Hand, die soeben die Türklinke umfassen wollte, verharrte in der Luft. Mit bemüht gelassener Miene drehte er sich um und blickte hoch, in das sichtlich weniger gelassene Gesicht seines Ausbilders.
» Sie habe ich gesucht!«, rief Damian scheinbar erfreut aus und ließ den Zettel mit dem provisorischen Lageplan im Ärmel der Jacke verschwinden.
»Das trifft sich gut«, antwortete Jophiel, der nichts davon bemerkte. »Ich muss mit dir sprechen.« Er zog ihn von der Tür fort zur gegenüberliegenden Wandseite und blickte durch die Glasfront in die Wolken. »Es hat Beschwerden über dich gegeben.«
Damian musste sich ein verächtliches Auflachen verkneifen und versuchte bestürzt auszusehen. »Beschwerden?«, fragte er. »Wie das?«
»Nun ja, falls du dich erinnern kannst, eine gewisse Lisa Higgins wurde deinetwegen in Gefahr gebracht. Ihr Schutzengel sagt, du hättest sie absichtlich als eine Art Schild benutzt.«
»Ich habe ihr Auto als Schild benutzt. Ihr ist nichts passiert.«
»Des Weiteren hast du noch andere Sterbliche im Umfeld deiner Schutzbefohlenen manipuliert. Völlig sinnlos.«
»Oh nein. Nicht völlig sinnlos. Schließlich passt sie jetzt besser auf sich auf.«
»Und du hast William Gordon dazu gebracht, deine Schutzbefohlene zu retten, als diese beinahe ertrunken
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