Teufelsherz (German Edition)
aller Kraft darum schloss. Der Dreck brannte in den vielen Abschürfungen und Wunden ihrer Haut. Überall stachen sie Reste der messerscharfen Dornenhecke. Ihre Füße scharrten panisch über den Erdhang. Sie fand keinen Halt, rutschte immer wieder ab. Sie hielt den Blick gesenkt, während immer noch Erde auf sie herabrieselte. Neben sich hörte sie Will, der mit ihr gestürzt war. »Halte durch«, sagte er immer wieder. »Ich hole dich.« Sein Keuchen, als er sich zurück nach oben kämpfte, ging in den vielen Hilferufen beinahe unter. Er war in Sicherheit. Kurz darauf wurde ihr Handgelenk gepackt. »Sieh nicht hoch«, hörte sie seine Stimme. »Schütze mit der Hand dein Gesicht.« Jemand zog sie hoch, Geröll fiel auf sie, während sie über den Erdhang geschleift und schließlich auf ebenem Boden losgelassen wurde. Zu ihrer Überraschung war es ihre Naturkundelehrerin und nicht Will, die sie umdrehte und auf Verletzungen überprüfte. Will war nicht mehr da. Emily blinzelte den Dreck aus den Augen, versuchte sich zu orientieren, zu begreifen, was geschehen war. Neben ihr, wo sich eben noch der Pfad den Berg hinaufgeschlungen hatte, war nichts mehr. Unter ihnen rauschte der Tevern. Sie hörte Wills Stimme, die Anweisungen brüllte. Es sollte eine Kette gebildet werden. Sie sah sich nach Mandy um, konnte in dem Chaos jedoch kaum etwas erkennen. Die Stimmen der Geretteten, die immer noch fassungslos über ihr Glück waren, drangen zu ihr. »Er hat mich hochgezogen. Will hat mich gerettet.« Im nächsten Moment waren da wieder Wills Stimme und auch die Schreie der Spanischlehrerin, die offensichtlich noch immer über dem Abgrund hing. »Sie ist zu weit abgerutscht«, hörte sie jemanden rufen. Wessen Stimme war das? Sie konnte sie nicht einordnen. »Sie kann sich nicht mehr halten.«
»Bildet eine Kette! Haltet meine Beine!« Das war Will, eindeutig, doch die anderen übertönten ihn sofort wieder. »Er schafft es. Der Junge schafft es! Er hat sie beinahe erreicht.« Schreie, das Donnern und Poltern von weiterem Geröll, das in den Fluss hinabstürzte. »Haltet ihn fest! Nicht loslassen!« »Mein Gott!« Nochmals das Geräusch von herunterrieselnder Erde. »Er hat sie. Will hat sie abgeschirmt. Zieht sie hoch. Los!« »Nein! Nicht durch die Dornen! Los! Auf die Seite! Alle zur Seite!«
Verschwommen konnte sie Will sehen. In seinen Armen hielt er die Lehrerin, Blut floss über sein Gesicht. Er war den Abhang hochgeschleift worden, ohne dass er sich hatte schützen können. Er wand sich vor Schmerzen schreiend am Boden und hielt die Hände über das Gesicht.
»Pizza bestellt?«
Emily blinzelte, atmete tief durch und versuchte das Zittern ihrer Hände unter Kontrolle zu bringen. Lächelnd drehte sie sich um. »Klar«, sagte sie fröhlich.
Will schlenderte mit den Händen in den Hosentaschen auf sie zu. Er trug wieder die Sonnenbrille, was für ihn vermutlich angenehmer war. Für Emily hingegen waren vor allem die Jeans und das Kapuzensweatshirt angenehmer, die er jetzt trug.
Als Will sich neben sie auf das Sofa fallen ließ und nach der Fernbedienung griff, fühlte sie sich bereits besser.
Meine Güte, wie melodramatisch sie doch sein konnte. Annie hatte ihr da einen Floh ins Ohr gesetzt mit ihrem Gerede, er würde sie verliebt ansehen. Sein Verhalten war zwar überraschend gewesen, aber auch verständlich. Er war schließlich immer allein in diesem Haus, und jetzt hatte er auch noch Schmerzen. Was war sie nur für eine dumme Gans!
Den Gedanken an die zerbrochene Rasierwasserflasche verbannte sie mehr oder weniger erfolgreich aus ihrem Kopf. Es gab bestimmt eine logische Erklärung dafür, warum sie heruntergefallen war.
»Ich hole uns etwas zu trinken.« Will sprang auf und verschwand durch den Rundbogen in die Küche, die sie von ihrem Platz aus nicht einsehen konnte. Sie hörte ihn eine Zeit lang mit Gläsern klirren, ehe er mit Saft und Wasser bewaffnet zurückkam.
»Ich habe den Ball draußen gesehen«, sagte Emily, als sie ihr Glas entgegennahm. »Du spielst wieder?«
»Irgendwann muss ich ja anfangen.«
»Versuchst du deswegen die Brille wegzulassen?«
Will ließ sich wieder neben ihr nieder. »Unter anderem«, bestätigte er seufzend. »Naruto hat ja auch gesagt, dass es so nicht ewig weitergehen kann. Aber das Licht ist einfach noch etwas ungewohnt und der Staub auch.«
»Nimm morgen die Tropfen wieder mit zur Schule.« Sie schmunzelte, als sie daran dachte, wie sie ihn früher im Auto oder auf
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