Teufelsherz (German Edition)
dem Jungs- WC verarztet hatte. Ein einziges Mal waren sie erwischt worden. Es musste wohl zuerst so ausgesehen haben, als würden sie sich küssen, doch zu ihrem Glück war es der Direktor gewesen, der ihre Doktorspielchen unterbrochen hatte. Mit einem Hinweis, dass sie hier nichts verloren hatte und Will zur Schulschwester gehen sollte, hatte er sich wieder abgewandt.
»Das ist frustrierend«, holte sie Will aus ihren Erinnerungen. Er hob seine Brille etwas an und wischte sich über die Augen. »Ich habe das Mistzeugs schon lange nicht mehr gebraucht. Ich dachte, es bleibt mir jetzt für immer erspart.«
»Es ist nur natürlich, dass sich deine Augen erst wieder umgewöhnen müssen. In ein paar Tagen ist bestimmt alles wieder in Ordnung.«
»Nein, Emily. Nichts ist in Ordnung.« Er sah sie durch das dunkle Glas an, doch Emily musste seine Augen nicht sehen, um zu wissen, welche Traurigkeit darin lag. Ihre Vermutung war also doch richtig gewesen. Er hatte heute einen ebenso miesen Tag wie sie. »Sieh mich doch an«, sagte er voller Bitterkeit. »Das geht nie wieder weg. Die Leute werden …«
»Was werden die Leute?« Emily rutschte sofort näher und legte ihre Hand an seine Wange. Das Unbehagen von vorhin war vergessen. Sie war wieder seine Freundin, auch wenn ihr plötzlich schmerzlich bewusst wurde, wie miserabel sie darin war. Sie verhielt sich wie eine pubertierende Göre, nur weil er ihr etwas nahe gekommen war, dabei ging es ihm einfach nicht gut. All ihre Gedanken waren um einen Engel gekreist, der noch nicht einmal zu dieser Welt gehörte, während Will echte Probleme hatte. »Du wirst wieder in Ordnung kommen, und die paar Narben fallen niemandem auf«, versicherte sie ihm.
Will lachte gequält auf. »Lass gut sein, Emily«, sagte er. »Ich weiß, wie ich aussehe, genauso gut wie du. Weiß der Himmel, wie du es fertigbringst, mich anzusehen.«
»Weiß der Himmel, wie du so einen Unsinn reden kannst.« Sie nahm vorsichtig seine Brille ab und sah ihm eindringlich in die Augen. Natürlich war es zurzeit schlimm, doch wenn die Entzündung nicht wäre, würden die Verletzungen überhaupt nicht mehr auffallen. Außerdem konnte der gerötete Rand seiner Augen sie nicht mehr schrecken. Er gehörte irgendwie zu ihm. »Ich sehe nur dich«, sagte sie ehrlich. »Da ist nur Will. Keine Narben oder irgendetwas Hässliches.« Sie lachte etwas hilflos und sah in dieses gütige Blau, das ihr jeden Tag zeigte, dass er so viel besser war als die meisten anderen Menschen. »Sie sind der Spiegel deiner Seele«, fuhr sie fort. »Du könntest niemals hässlich sein.«
»Ich liebe dich, Emily.« Er legte den Arm um sie und zog sie an sich. »Du bist das Wichtigste in meinem Leben.«
»Und du in meinem.« Sie schmiegte den Kopf an seine Brust und schloss die Augen. Sie wüsste nicht, was sie tun sollte, geriete diese Freundschaft jemals in Gefahr. Vielleicht waren sie ja seelenverwandt? Zumindest war eine Freundschaft vom Windelalter an mit nichts zu vergleichen.
Sie dachte an Damian und das seltsame Gefühl, das er in ihr auslöste. An das Prickeln in ihrem Bauch und das Flattern ihres Herzens. Sie war in ihn verliebt, und doch war er ihr fremd.
Die Türklingel ließ sie beide zusammenfahren, so sehr waren sie in die Geborgenheit des anderen versunken gewesen.
Es war ihr allzeit verfügbarer Retter in der Not, dem sie die Tür öffnete, während Will schon einmal die DVD einstellte und noch Chips holte. »Pizza!«, rief sie und führte einen kleinen Freudentanz auf.
»Hey, Emily.« Billy reichte ihr die beiden Schachteln und verzog seine Mundwinkel zu einem spöttischen Lächeln, was wohl ein Hinweis darauf sein sollte, dass er von ihrer Zukunft als Ballerina nicht besonders viel hielt. »Wer ist denn heute dran?«, fragte er, als er das Geld einsteckte.
»Freddy Krueger.«
»Euch ist echt nicht mehr zu helfen, aber trotzdem viel Spaß. Wir sehen uns, Will!«, rief er noch an ihr vorbei, ehe er zurück zu dem kleinen weißen Wagen ging.
Es waren ein Nachmittag und ein Abend ganz nach ihrem Geschmack. Auf das Sofa gekuschelt und mit vollem Magen ließ sie die Zeit verstreichen, während sie immer wieder ihr Gesicht in Wills Pullover verbarg. Sie war zwar ein Freund von Horrorfilmen, aber manche Szenen waren auch ihr zu viel.
Da Dezember war, wurde es früh dunkel, und dadurch verloren sie jegliches Zeitgefühl. Bald fielen ihr die Augen zu. Dass alles so wie immer war, gab ihr ein Gefühl von Sicherheit. Sie hatte
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