Teufelsherz (German Edition)
wusste nicht, ob sie überhaupt noch enttäuscht sein sollte. Es war wieder Morgen, und sie ließ sich wie jeden Tag seufzend zurück in die Kissen fallen, nachdem der Wecker sie aufgeschreckt hatte.
Es war erstaunlich, dass sie immer noch bis zum Klingeln durchschlief – als wollte sie jede Sekunde nutzen, in der Damian die Möglichkeit hatte, zu ihr zu kommen. Anders als er.
Missmutig rührte sie in ihrem Müsli und würgte immer nur dann, wenn ihre Mutter zu ihr hinsah, einen Bissen hinunter.
Von dem Ziel, endlich wieder richtig in ihre Jeans zu passen, entfernte sie sich immer weiter. Doch sie konnte einfach nichts essen. Sie fühlte sich so schlecht wie schon lange nicht mehr. Es kam ihr vor, als zerrinne das Glück zwischen ihren Fingern, sobald sie es zu fassen versuchte. Wie eine Klaue umklammerte die Einsamkeit ihr Herz und erfüllte sie mit ungewohnter Hilflosigkeit.
»Du bist viel zu früh dran heute«, unterbrach ihre Mutter die düsteren Gedanken. »Will ist noch nicht einmal da.«
Emily atmete tief durch und stocherte weiter in dem Matsch in ihrer Schüssel. »Ich fahre mit dem Bus«, murmelte sie und versuchte dabei so gleichgültig wie möglich zu klingen, doch ihre Mutter konnte sie nicht täuschen.
»Mit dem Bus?« Sie drehte sich zu ihr um und lehnte sich gegen die Fensterbank. »Seit wann lässt Will dich mit dem Bus fahren?«
»Seit …« Sie musste noch einmal tief durchatmen, schaffte es jedoch nicht aufzublicken. »Seit er eine Freundin hat.«
Bis auf das leise Summen des Backofens, in dem sich frische Brötchen befanden, war es plötzlich totenstill.
»Eine Freundin?«, wiederholte ihre Mutter schließlich ungläubig. »Das hätte ich wirklich nicht gedacht.«
»Wieso? Ist ja nicht seine erste Freundin.«
»Ja, aber …« Ihre Mutter zuckte mit den Schultern und holte die Brötchen aus dem Ofen. »Schade«, meinte sie, als sie das Blech auf den Herd stellte. »Ich hab ihn immer schon als Schwiegersohn gesehen und das Haus voller blonder Enkelkinder.«
Emily verdrehte die Augen. »Dazu wäre es nie gekommen.«
»Wer weiß. Ich war mir da immer ziemlich sicher.«
»Es war eher Wunschdenken, weil Will wie ein Sohn für dich ist.«
»Er ist noch jung«, antwortete ihre Mutter, ohne auf Emilys Kommentar einzugehen, und zwinkerte ihr zu. »Freundinnen kommen und gehen. Ich darf noch hoffen.«
»Tu, was du nicht lassen kannst.« Emily schnappte sich ihren Rucksack und machte sich auf den Weg zum Bus. Wahrscheinlich wäre es schon einmal ein guter Anfang für Emily, wenn sie sich einen Menschen angelte und nicht mehr ständig an einen Engel dachte. Leichter gesagt als getan.
An diesem Tag regnete es zumindest nicht, auch wenn vom ersehnten Schnee nichts zu sehen war. Vielleicht würde der richtige Wintereinbruch ja pünktlich zum Schneeball kommen. Der Ball, zu dem Will und Annie hingingen.
Emily musste unwillkürlich schmunzeln, als sie aus dem Busfenster sah. Eigentlich war es schade, dass sie selbst nicht hinging. Maritas wütende Blicke wären selbst die langweiligste Musik wert. Vielleicht schaffte Will es ja, ein Foto von ihr zu machen. Das könnten sie dann vergrößern und in der Schule aufhängen.
Da der Bus ziemlich früh an der Schule ankam, hatte Emily noch etwas Zeit bis zum Beginn des Unterrichts. Sie holte ihren Zeichenblock aus dem Rucksack und setzte sich auf den Bordstein neben den Parkplätzen. Es war an der Zeit, mal wieder die Kronberge zu zeichnen, die an diesem Tag unter dem dunkelblauen, klaren Himmel einen leicht silberblauen Glanz annahmen. Schade, dass sie nicht die passenden Farben dabeihatte, doch meistens fertigte sie unterwegs ohnehin nur Skizzen an, die sie dann zu Hause vollendete oder an der Staffelei in ein größeres Format übertrug.
Sicherheitshalber fotografierte sie die Berge über die parkenden Autos hinweg mit ihrer Digitalkamera. Es war selten, dass die gezackten Wächter der Stadt weder vom Nebel noch von vereinzelten Wolkenfetzen verhüllt wurden, und diese Gelegenheit wollte sie sich nicht entgehen lassen.
Wieder in ihre Zeichnung vertieft, war es schließlich das vertraute Motorengeräusch, das sie aufblicken ließ. In einiger Entfernung parkte gerade der schwarze Audi ein, und – welche Überraschung – Will und Annie stiegen aus. Die beiden sahen wirklich unheimlich süß zusammen aus. Annie, die ihm noch nicht einmal bis zur Schulter reichte, strahlte wie die Sonne selbst, und überall blieben erstaunte Schüler stehen und
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