Teufelsherz (German Edition)
hinterherlief.
Emily hatte es nicht eilig, den Parkplatz zu überqueren, und schlenderte in düstere Gedanken versunken den Weg zum Eingang hinauf, während der nicht enden wollende Regen ihre Haare und Kleidung durchnässte. Bald war Weihnachten, aber weit und breit keine Spur vom ersten Schnee. Er würde die Landschaft verzaubern und ihre Stimmung heben. Anscheinend hatte sich ja die ganze Welt gegen sie verschworen. Oh süßes Selbstmitleid!
Bei den Schließfächern wurde sie bereits von Annie erwartet, die ihr glücklich entgegenstrahlte. Endlich ein etwas erfreulicherer Anblick! Ihr Lächeln verschwand allerdings, als Marita auftauchte und sich wie ein Raubtier bei der Jagd anschlich.
»Na, Annie«, sagte sie mit einem kurzen Seitenblick auf Will, der zu seinem Schrank ging, ohne ihr Beachtung zu schenken. »Wie war denn der Film? Ich wollte ihn mir auch ansehen, habe aber gehört, dass es sich nicht lohnt.«
Annie warf Emily einen hilflosen Blick zu, straffte dann jedoch ihre Schultern und wandte sich tapfer Marita zu. »Dir würde er gefallen«, antwortete sie mit der für sie typischen Unschuldsmiene. »Das Niveau ist genau richtig für dich.«
»Nun, freust du dich schon auf den Ball? Mit wem gehst du noch gleich hin?«, entgegnete Marita mit einem unverhohlen bösartigen Lächeln. Sie schien ganz genau zu wissen, dass Annie keine Verabredung hatte.
Wie zu erwarten, wich Annie sofort die Farbe aus dem Gesicht. Emily konnte das Ganze nicht länger mitansehen. »Fahr deine Krallen wieder ein«, sagte sie und ging drohend einen Schritt auf die dumme Kuh zu. »Eifersucht steht dir nicht besonders.«
»Sagt wer?« Marita ließ ihren abfälligen Blick langsam über sie wandern, wobei Emily natürlich klar war, was die perfekt herausgeputzte Schönheit sehen würde. Vom Regen geduscht gab sie bestimmt ein blendendes Erscheinungsbild ab. »Hat dein Sarg ein Leck?«, fragte Marita nach einer kleinen Denkpause und wandte sich dann, ohne eine Antwort abzuwarten, wieder an Annie. »Du solltest aufpassen«, sagte sie leicht missgestimmt. »Die da isst kleine Streberinnen wie dich zum Frühstück. Ist vielleicht besser, dass du nicht zum Ball gehst. Nach Sonnenuntergang ist es oft gefährlich da draußen, wo solche herumlaufen.« Sie deutete mit einer Kopfbewegung auf Emily, ehe ein lauter Knall sie alle drei zusammenzucken ließ.
Will hatte die Schranktür offensichtlich mit etwas zu großem Kraftaufwand geschlossen und lenkte damit sofort Maritas Aufmerksamkeit auf sich.
»Will!«, rief sie hocherfreut. »Aber du gehst doch wohl zum Ball, nicht wahr? Ein Nein kann ich nicht akzeptieren.«
Wills Blick glitt an der Cheerleaderin vorbei und traf Emily. Obwohl sie seine Augen durch die Brille nicht sehen konnte, spürte sie die Gereiztheit, die ihn bereits den ganzen Morgen umgab. Sein Blick schien sich durch das Glas zu brennen und sie zu durchbohren. Es war ihr, als wolle er sie an der Kehle packen und zudrücken. »Klar komme ich«, sagte er schließlich zu Marita. »Das lasse ich mir doch nicht entgehen.« Er schlenderte auf die zickige Mädchengruppe zu, ohne sich um ein Lächeln zu bemühen, und legte wie beiläufig seinen Arm um Annies Schultern. »Wenn ich mich eine Sekunde von meiner Freundin losreißen kann, tanze ich vielleicht auch mit dir.«
Allen dreien klappte gleichzeitig der Mund auf.
Emily sah verwirrt zu dem völlig ernst blickenden Will, zur leichenblassen Annie und zum hochroten Gesicht von Marita.
»Oh«, sagte letztere. »Ich wusste ja gar nicht, dass du und Annie …«
»… zusammen sind?« Will zog die schreckensstarre Annie noch etwas näher an sich. »Ist auch noch ziemlich frisch.«
»Ach so. Na, wie schön.« Marita schüttelte fassungslos den Kopf. Erst als ihr Blick auf Emily fiel, schien sie den Schreck überwunden zu haben, denn langsam breitete sich ein triumphierendes Lächeln auf ihrem Gesicht aus. »Und was ist mir dir, Emily?«, fragte sie scheinbar besorgt. »Ich hörte, Edwin hat noch keine Begleitung. Ihr wärt bestimmt ein reizendes Paar.«
Dass Edwin genau jener totenblasse Junge war, der im Physikunterricht neben ihr saß, schien Marita wohl für eine besonders gelungene Grausamkeit zu halten. Doch sosehr Emily sich auch um Gelassenheit bemühte, trafen sie die Worte härter, als sie zugeben wollte. Für sie gab es keine Bälle und in Zukunft auch keinen Engel mehr. Nein, noch nicht einmal einen besten Freund, denn der … Emily schluckte.
War sie denn verrückt
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