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Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall

Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall

Titel: Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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sinner schaffig!« Frau Kölblin kam auf ihrer Morgenrunde vorbei.
    »Damit keiner verdurstet«, entgegnete Herbert. Er bockte das Gefährt auf und rumpelte über die gepflasterte Straße hinüber zu seiner Wirtschaft, die um diese Zeit noch geschlossen war. »Sauber bleiben, ihr zwei!«, rief er über die Schulter zurück.
    Frau Kölblin ließ sich nicht beirren. »Des war e scheeni Beerdigung«, begann sie ohne Überleitung. Die füllige Dame stapfte hinter Kaltenbach her, als er zurück in den Laden humpelte. »Wenn nur ’s Wetter nit so mischtig gsi wär.«
    Frau Kölblin ließ sich in einen der Besuchersessel fallen. Sie sparte nichts aus, angefangen bei den Blumen auf dem Sarg, über die Ansprache des Pfarrers bis hin zur Trauerkleidung der Verwandten, die man leider unter den Regensachen nicht genau hätte erkennen können. Kaltenbach hörte kaum zu. Vor seinem inneren Auge rollte das Geschehen vom Sonntag noch einmal ab. Erst als sie von der Schwester des Toten sprach, wurde Kaltenbach hellhörig.
    »Ja, die Luise. Des isch e netts Maidli.« Alle Frauen, die jünger waren als sie selbst, nannte sie so. »Die wär ebbis für dich! Die hab i schu kennt, wo sie noch uff d’Schuel gange isch, in d’Parallelklass vu minem Wolfi!«
    Kaltenbach musste aufpassen, wenn sie von ihrem ›Wolfi‹ anfing. Er war ihr einziger Sohn, und sie war mächtig stolz auf ihn. Immerhin war er führender Mitarbeiter in einem aufstrebenden Freiburger Solarzellenunternehmen, hatte es also in ihren Augen zu etwas gebracht.
    Überraschenderweise blieb sie jedoch beim Thema.
    »Die klei Luise Bührer. Die hett später viel Pech gha!«
    Kaltenbach wurde neugierig.
    »Und dann isch ihre au noch de Ma abghaue. Ja, mi Wolfi, bi dem … «
    »Wo wohnt sie denn jetzt?«, unterbrach sie Kaltenbach geistesgegenwärtig.
    »Irgendwo z’Friburg. Due kannsch jo mol in ihre Lade go. Der isch in der Fischerau. Irgendebbis mit Kunscht.« Nach dieser knappen Information wandte sie sich wieder der Chronistenpflicht zu und Kaltenbach erhielt eine ausgiebige Zusammenfassung aller Gerüchte um den Todessturz. Die in ihren Augen wesentlichen Leute waren sich einig, dass das Ganze ein Unglück war und dem jugendlichen Übermut der beiden zuzuschreiben sei. Über das Kruzifix wurde wild spekuliert.
    »Die Litt sin doch soo guet katholisch!«, meinte sie kopfschüttelnd, wobei mit den ›Leuten‹ die Familie des Toten gemeint war. Es müsse irgendetwas mit der Fastenzeit zu tun haben.
    Pünktlich nach 20 Minuten nahm Frau Kölblin ihre Runde wieder auf. Kaltenbach sah ihr nach, wie sie das ›Mahlwerkk‹ ansteuerte, wo sie von ihrer Freundin sicher schon sehnlichst erwartet wurde.
    Im Laufe des Vormittags blieb es ruhig. Kaltenbach verbuchte Herberts Einkauf, schrieb ein paar Bestellungen und bereitete eine kleine Lieferung vor, die er heute Abend für einen Gemeindeempfang nach Freiamt bringen sollte. Er dachte nach über das, was Frau Kölblin zu dem Kruzifix gesagt hatte. Er staunte immer wieder, wie die Menschen versuchten, sich etwas zu erklären, was nicht sein durfte. Wenn man nichts wusste, war es immer noch besser, etwas herbeizufantasieren. Der Schrecken der Unwissenheit war offenbar schlimmer als die Konfrontation mit dem Erfundenen.
    Kurz vor der Mittagspause kam er endlich dazu, sich das merkwürdige glitzernde Etwas anzusehen, das er vom Friedhof aus dem Grab mitgenommen hatte. Noch am Abend nach der Beerdigung hatte er es sorgfältig mit Wasser von der Erde befreit und danach zum Trocknen auf ein Handtuch ins Bad gelegt. Als er dann am Montag bei seinem Hausarzt einen frühen Termin bekam, musste er ohne Frühstück los und ging dann gleich anschließend in den Laden. Den Abend hatte er dann ganz der Erkundung seiner neuen Plattenschätze gewidmet. Bis er einen Teil der Titel zumindest einmal angespielt hatte, war es schon nach Mitternacht gewesen.
    Kaltenbach saß auf seinem Lieblingsplatz, einem ausrangierten Barhocker, der zusammen mit einem Bistrotisch im hinteren Teil des Verkaufsraums stand. Von hier hatte er bequem Eingangstür, Schaufenster und das Innere des Ladens im Blick. Meistens blätterte er um diese Zeit durch die Zeitung. Heute ließ er die Badische jedoch in seiner abgeschabten Aktentasche stecken. Stattdessen holte er das Tuch mit dem Schmuckstück heraus, legte es auf den Tisch und wickelte es sorgfältig auseinander.
    Der flache metallene Gegenstand war nur wenig größer als ein altes Fünfmarkstück. Über die

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