Teufelskanzel - Kaltenbachs erster Fall
Schafskäse und Oliven. Dann legte er das Baguette dazu, stellte ein Glas daneben und trug das Ganze in sein Wohnzimmer. Neben dem Sofa stand vom Vorabend noch eine halbe Flasche Spätburgunder. Kaltenbach nickte zufrieden. Ehe er es sich bequem machte, schaltete er die Stereoanlage ein, wählte eine der alten Bluesplatten und setzte behutsam die Nadel auf.
Trotzdem wollte sich die wohlverdiente Entspannung am Ende des Tages nicht so recht einstellen. Seine Gedanken kreisten wie nervöse Schwalben vor einem Spätsommergewitter. Der Tote vom Kandel, der Hagere am Grab, die merkwürdige Brosche, die Symbole von Leben und Tod, altgermanische Schriftzeichen. Und in der Mitte all dessen das Bild dieser Frau. Luise. Ein schöner Name, wie er fand. War sie es, die ihn aus seinem Alltag aufgeschreckt hatte? War es der Tote? Oder doch etwas ganz anderes?
Nach dem zweiten Glas war die Flasche neben dem Sofa ebenso leer wie der Teller mit seinem Nachtmahl. Die Platte war längst abgelaufen. Er schaltete die Anlage ab, schlurfte in sein Schlafzimmer, zog sich aus und warf sich ins Bett. Nur das leise Plätschern des Aquariums war zu hören.
Er spürte, dass tatsächlich etwas anders geworden war seit der letzten Woche. Etwas Unbekanntes, das ihn rief, ein Rätsel, das sich auftat. Er würde die Lösung schon noch finden.
Mittwoch, 28. Februar
Kaltenbach stützte sich auf das Geländer der kleinen Brücke über den Freiburger Gewerbekanal. Der träge Strom des schmutzig-grauen Wassers trug nicht dazu bei, seine Stimmung zu bessern.
Er hatte Luise Bührers Kunstgeschäft nicht gefunden. Er war die Fischerau einmal hoch und runter gelaufen, jenes schmale Gässchen in der südlichen Freiburger Altstadt, das ein wenig abseits des Touristenstroms lag. Doch außer ein paar wenigen Geschäften gab es hier nur Wohnhäuser.
Ob Frau Kölblin sich geirrt hatte? Vielleicht hatte sie die Gerberau gleich nebenan gemeint, eine ähnliche Straße, in der sich ein Laden an den anderen reihte. Er ärgerte sich, dass er sich nicht besser erkundigt hatte. Er hätte vorher anrufen oder im Branchenverzeichnis nachschlagen können. Aber einen Anruf hatte er ausgeschlossen. Er hätte nicht gewusst, was er sagen sollte.
Kurz entschlossen betrat Kaltenbach den nächstbesten Laden. Ein überwältigender Duft nach Honig und Bienenwachs empfing ihn. Als er sich umsah, bemerkte er in dem gedämpften Kunstlicht nach und nach eine Fülle von Kerzen, Seifen, Duftkugeln, Badezusätzen und Flakons. In den Regalen an den Wänden standen säuberlich aufgereiht Gläser und Flaschen, deren bunte Etiketten auf die Herkunft der süßen Speisen aus der ganzen Welt hindeuteten.
Kaltenbach bestaunte eben einen Porzellanhonigtopf, der einem altertümlichen Bienenkorb nachempfundenen war, als sich aus dem Hintergrund eine Gestalt löste und auf ihn zukam. In dem gelbbraunen Kosakenkittel, der ihr bis zu den Knien reichte, hob sie sich kaum vom pastellfarbenen Interieur ab. Die strohblonden Haare hatte sie hinter ihrem Kopf zu einem Zöpfchen gebunden. Durch eine randlose runde Brille bedachte sie ihn mit einem sanften Blick.
Kaltenbach stellte das Gefäß zurück. Die Gestalt, ein Mann, sagte nichts und lächelte nur.
»Ich sehe mich nur ein wenig um.« Der süßliche Geruch schien ihm auf die Stimmbänder geschlagen zuhaben. Normalerweise war dies die Antwort auf die unvermeidliche Verkäuferfrage, ob er ihm helfen könne. Doch der Bezopfte lächelte beharrlich und schwieg. Kaltenbach sah in Gedanken einen chinesischen Mandarin vor sich, der den Eingang zum Kaiserpalast bewachte und auf die Legitimationspapiere wartete, ohne die es sich gar nicht erst lohnte vorstellig zu werden. Er trat an eines der Regale heran und tat so, als würde er die Aufschriften der Etiketten lesen. Wie konnte er am besten nach Luise fragen, ohne dass es unangenehm wurde? Das gut gemeinte Honiglächeln schreckte ihn ab. Kaltenbachs Blick fiel auf ein Sortiment handgerollter Bienenwachskerzen. Er hatte sie nicht mehr gesehen, seit er als Kind zusammen mit seiner Mutter in der Adventszeit die gesamte Verwandtschaft damit versorgen musste. Kaltenbach nahm aufs Geratewohl eine heraus. Sie war klebrig.
»Was kostet die?«, räusperte er sich, ohne sich zu dem Verkäufer umzudrehen.
Der Mann schwirrte heran und nahm ihm die Kerze ab. »Achtfünfzig«, säuselte er. »Mann oder Frau?«
Dieses Mal war es Kaltenbach, der schwieg und den anderen mit großen Augen anstarrte.
»Ist das
Weitere Kostenlose Bücher