Teufelskreise (German Edition)
den Ordner hin. »Mach auf.«
»Ich weiß doch, was drin ist.« Oder hatte er ihn etwa durchgesehen und Abschnitte korrigiert oder Informationen hinzugefügt? War er dabei auf etwas gestoßen, das ihm nicht gefiel?
»Wirklich?«, fragte er.
Jetzt hatte er mich neugierig gemacht. Und unruhig.
Er winkte mit dem Ordner. Ich griff danach und öffnete ihn. Er war schwerer, als ich ihn in Erinnerung hatte, aber wie erwartet war die erste Seite ein handgeschriebenes Inhaltsverzeichnis. Nichts Neues. Ich drehte den Ordner auf die Seite. An den Beschriftungen der Reiter hatte sich ebenfalls nichts geändert: »Historisches«, »Medizinisches«, »Soziales«, »Asyle«, »Gesetzestexte«, »Gesetzentwürfe«, »Lokales« und »Nationales«. Hinter den letzten beiden Registerkarten fanden sich Zeitungsartikel, Listen von Sympathisanten der Regierung und aus der Bevölkerung, von Selbsthilfe- und Anti-Wær-Gruppen.
Ganz hinten stieß ich jedoch auf einen neuen Reiter ohne Beschriftung. Ich legte den Finger darauf und warf Johnny einen Blick zu. Er grinste und klappte die Karte zurück. Ich traute meinen Augen nicht. Während ich schnell durch die Seiten blätterte, begriff ich, worum es sich handelte. »Der Codex?« Es waren Kopien der einzelnen Seiten des Buches, das Menessos mitgenommen hatte. »Wie hast du … ?« Ich blickte auf.
»Mit deinem Scanner, womit sonst? Was die Technik angeht, solltest du wirklich langsam in der Neuzeit ankommen. Obwohl ich auf deinem Schreibtisch auch eine nichttechnische Sache gefunden habe, die mir gefällt.«
»Und die wäre?« Ich ahnte bereits, was er antworten würde.
»Dieses Ding, mit dem man drei Löcher mit einem Mal machen kann. Wirklich praktisch.«
Ich konnte mich nicht lange über die Überraschung freuen. Als Nana davon hörte, nahm sie mir den Ordner ab und begann erneut mit der Übersetzung. »Selbstverständlich werde ich Dr. Lincoln anschließend bitten, den Text zu korrigieren.«
Als ich mich mit dem Abendessen befassen wollte, musste ich feststellen, dass die Schränke fast leer waren. »Ich fürchte, heute gibt’s nicht viel zum Dinner.«
»Nicht viel? Du hast doch sicher Pasta und Tomatensoße da. Das reicht mir, damit kann ich arbeiten«, sagte Johnny und stellte den Herd an.
»Seph?«, rief Beverley von oben auf der Treppe.
»Ich komme«, antwortete ich und setzte mich in Bewegung.
»Da kommt irgendwas ganz langsam die Einfahrt herauf.«
Ich blieb stehen und warf Johnny, der gerade eine Bratpfanne aus dem Schrank holte, einen schnellen Blick zu. Er erstarrte, richtete sich auf und schaltete den Herd aus. Mit einer dramatischen Geste begleitete er mich zur Tür. Anscheinend hatte er mir meine Entscheidung, den Vampiren den Pflock auszuhändigen, doch noch nicht ganz verziehen.
»Beverley, bleib oben. Nana –«
»Ich rühre mich nicht von der Stelle!« Es folgte das Klicken ihres Feuerzeugs.
Johnny nahm neben der Tür Aufstellung, sodass er von draußen nicht gesehen wurde. Ich schloss auf. Die Schritte des Boten, den Menessos geschickt hatte, um den Pflock zu holen, donnerten entschlossen auf die Bretter der Veranda. Als er in Sicht kam, konnte ich es kaum glauben. Und dann – ergab alles plötzlich einen Sinn.
»Samson D. Kline.«
»Miss Alcmedi.« Er grinste mich an. »Mit mir haben Sie wohl nicht gerechnet, was?« Er lachte. »Tja, ich war auch überrascht, als ich hörte, wozu Sie so alles fähig sind.«
»Was genau haben Sie denn gehört?«
Sein Grinsen wurde hinterhältig. »Vor der Tür tratschen? So etwas macht man doch nicht. Von der großen Persephone Alcmedi, der Hexe, die Menessos zurück in den Kreis gelockt hat, hätte ich wirklich ein besseres Verhalten erwartet.«
»Was meinen Sie damit: zurück?«
Er sah mich mit gespieltem Mitleid an. »Es sind Mädchen wie Sie, die plötzlich verschwinden und in den Panik verbreitenden, skandalhungrigen Medien landen, besser bekannt als Abendnachrichten. Und nur weil sie die Jungs, mit denen sie sich einlassen, nicht gut genug kennen.«
»Da die letzte Hintergrundrecherche zu einem lebensgefährlichen Unfall einer Freundin geführt hat, tun Sie mir doch einfach den Gefallen und klären mich auf, damit in den Abendnachrichten nicht auch noch über mich berichtet werden muss. Ich meine, es wäre doch schrecklich, wenn Sie sich diese furchtbaren Sendungen ansehen müssten, nur weil Sie darauf warten, endlich von meinem blutigen Ableben zu erfahren, und sich dabei auch noch dem Risiko einer
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