Teufelskreise (German Edition)
der erste Kuss gewesen«, sagte er. »Neunundneunzig stehen noch aus.«
»Und wenn wir uns neunundneunzig Mal geküsst haben, was dann?«
Er richtete sich auf. »Dann bitte ich dich um hundert weitere.«
Der Blick, den ich ihm zuwarf, war zuerst scherzhaft skeptisch, wurde dann aber ernst. »Weißt du denn nicht, dass ich mein Leben geben würde, um dich zu beschützen?«, fragte er. Seine warmen Hände lösten sich von meiner Taille, griffen um meine Gelenke und zogen meine Handflächen zu seinem Gesicht. »Um die Lustrata zu beschützen.« Er küsste meine Handflächen. »Ich habe so lange nach dir gesucht.«
Nach mir gesucht?
»Ich wusste es schon das erste Mal, als ich dich sah.« Er drückte meine Hände. »Ich fühlte es. Und ich war mir sicher, dass auch du es irgendwann erkennen würdest.« Er streichelte meine Wange. »Ich habe mich nicht geirrt.«
Selbst wenn ich es in diesem Moment nicht glaubte, er tat es. Er streichelte mich. Die grimmige Überzeugtheit in seinen Augen war mir plötzlich nicht mehr unheimlich.
»Johnny? Hast du sie gefunden?« Nanas Stimme drang vom Erdgeschoss herunter.
Wir drehten uns um, als sie am oberen Absatz der Kellertreppe erschien.
»Ja. Ich habe sie gefunden«, sagte er.
Nana stemmte die Hände in die Hüften und bedachte uns mit einem bösen Blick, der jedoch nicht sehr überzeugend war.
19
Um den Schutz des Hauses zu verstärken, legte Nana mit Macht aufgeladenen Salbei in jedes Fenster und streute Salz auf die Fensterbänke. Sie ließ sogar Johnny zwei Nägel in die Wand über der Haustür schlagen, um daran meinen Besen zu befestigen. Währenddessen stellte ich Vivians Baldrian-Flasche und meinen Baseballschläger in eine Ecke neben der Tür.
Beverley wollte gerne an Theos Bett bleiben, also übernahm sie eine Weile für mich die Wache. Ihr Wunsch kam mir sehr gelegen, denn es fiel mir zunehmend schwer, ruhig sitzen zu bleiben. Ich duschte und überlegte, was ich für das Ritual anziehen sollte. Unentschlossen durchforstete ich meinen Schrank. Zuerst dachte ich an formelle Kleidung, um der religiösen Zeremonie, die ich durchführen würde, meinen Respekt zu zollen. Doch als ich weiter darüber nachgrübelte, begriff ich, dass ich damit nur das Klischee einer Hexe bestätigen würde. Außerdem besaß ich weder lange, wallende Gewänder noch Kapuzenmäntel und musste die Anwesenden ohnehin nicht mit solchen Dingen beeindrucken, also entschied ich mich für einfache, bequeme Kleidung: ausgewaschene alte Jeans, Turnschuhe und, zum Spaß, ein tailliertes schwarzes T-Shirt mit Superman in Blutrot auf der Vorderseite. Wenn mich alle schon für die Lustrata hielten, dann konnte ich auch das fünfeckige Symbol des Helden mit dem S in der Mitte während des Rituals tragen.
Da ich immer noch nervöse Energie in mir spürte, beschloss ich, den Boden zu wischen. Der hatte es zwar nicht besonders nötig, aber ich musste mich einfach körperlich betätigen. Und so begann ich zu putzen, als die Sonne am Horizont unterging. Ich spürte, wie ihr Schutz mich verließ und die Bedrohung durch die Vampire erwachte. Die bloße Vorstellung ließ meinen Stresspegel ansteigen.
Nachdem ich den Wischmopp zur Seite gestellt, das Waschbecken im Badezimmer geputzt und mich versichert hatte, dass alle Handtücher frisch waren, wollte ich gerade nach Theo sehen, als ich Celia im Wohnzimmer fragen hörte: »Demeter, erzählen Sie mir doch bitte von der Autorin dieses Buches. Ich würde so gern mehr über ihre Geschichte und den Wær erfahren, den sie geliebt hat.«
Nach einigen Momenten der Stille hörte ich Nana sagen: »Kommen Sie, setzen Sie sich.« Ich konnte ihren Gesichtsausdruck nicht sehen, aber ihr Ton hörte sich zur Abwechslung mal nicht abfällig an. Ich setzte mich auf die oberste Stufe und lauschte.
»Ihre Geschichte finden Sie auch in diesem Buch hier, zusammen mit den Zaubersprüchen. Ich habe sie vor langer Zeit das erste Mal zu hören bekommen … Seit den Anfängen der Zivilisation, in Uruk, einer der ältesten Städte, erfüllte die Hohepriesterin Una ihre heiligen Pflichten mit großer Hingabe und war der Liebling der Göttin Ischtar.«
Es hörte sich an, als würde Nana die Geschichte so nacherzählen, wie sie sie schon damals gehört hatte.
»Eines Tages kam ein fremder Magier nach Uruk. Er hieß Ezreniel und diente einem Gott, den sein Volk bisher nicht kannte. Er war ein Mann von großer Statur mit scharfem Blick und lauter Stimme, und als er vor die
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