Teufelskreise (German Edition)
Käfig. Das Heu knisterte unter meinen Schuhen und verlieh dem winterlichen Keller einen grasigen Hauch von Frühling. Ich wollte mehr von dieser Frische, dieser Fruchtbarkeit, wollte an die Erde und nicht an mich denken. Ich streckte mich im Heu aus und atmete tief seinen Duft ein. Meine Augenlider schlossen sich.
»Red?«
Ich öffnete die Augen. Der Lichtstrahl war durch die untergehende Sonne länger geworden und hatte mich gewärmt. Doch nun fiel ein Schatten von der Tür her auf mich und blockierte die Wärme der Sonne. »Red?«
Ich setzte mich auf. »Hier.«
Johnny kam die Stufen herunter und blieb an der Tür zu seinem Käfig stehen. »Demeter sucht nach dir.« Ich konnte nur seine Silhouette erkennen. Er war so groß und schlaksig. Nana würde sagen, seine Statur ähnelte der einer Wäscheklammer. Staub umflirrte ihn im Licht und vermittelte den Eindruck, als sei er nur eine magische Illusion. Sein Gesicht lag im Dunklen, weil das helle Licht ihn von hinten anstrahlte. »Red?«
Ich bemerkte, dass ich ihn anstarrte. »Ja.« Ich stand auf, klopfte mir das Heu vom Hintern und ging auf ihn zu. »Tut mir leid. Hat Nana sich Sorgen gemacht?«
Er war nicht so höflich, mich vorbeizulassen. Stattdessen blieb er wie angewurzelt stehen und sah mich an. Aus der Nähe konnte ich seinen Gesichtsausdruck erkennen. Er sagte: » Ich habe mir Sorgen gemacht.«
Ich konnte nicht glauben, dass er das gerade zugegeben hatte. Gab es im Gesetzbuch für Typen nicht strikte Regeln gegen so eine Offenheit? »Es tut mir leid, Johnny. Ich wollte nicht so einfach verschwinden.« Ich wartete darauf, dass er etwas Anzügliches sagen würde, aber vergeblich. Die Stille wurde schwerer, weich wie Wolle und warm. Und immer schwerer, als stiege um mich herum eine Flut, die mich niederdrückte und mich zu ertränken drohte. Auf einmal packte Johnny meine Arme und zog mich an sich. Einen Moment zögerte er, dann küsste er mich.
Ich wehrte mich nicht, war aber mehr als überrascht. Abwehrend versteifte ich den Rücken. Ich war nicht der Typ Frau, der sich einem spontanen Kuss so einfach hingab. Hieß das, ich würde niemals eine gute Guinevere abgeben, niemals eine gute Frau von König Artus?
Johnny musste meine Körpersprache wohl falsch gedeutet haben, denn gerade, als ich mich fragte, wonach seine Lippen schmeckten, spürte ich sie nicht mehr. »Verzeih«, flüsterte er.
Oh nein, er dachte, ich hätte ihn zurückgewiesen, dabei hatte das doch gar nicht in meiner Absicht gelegen. Es war nur so schnell gegangen, dass ich mich nicht darauf hatte einstellen können. Sein Griff lockerte sich.
»Nein«, sagte ich und fasste nach ihm. Mit der einen Hand erwischte ich sein Hemd, mit der anderen hielt ich mich an seiner Taille fest. Als ich ihn berührte, hielt er inne. »Verzeihst du mir?«, flüsterte ich ein wenig atemlos. Dann schluckte ich meine Angst herunter und sagte: »Noch einen Kuss?« Bitte .
»Nein«, erwiderte er leise. Seine Augen funkelten. »Hundert oder keinen einzigen mehr.«
Wie hätte ich diesem leisen, selbstsicheren und doch sehnsüchtigen Ton widerstehen können? »Dann hundert.«
Er neigte den Kopf, und dieses Mal war ich bereit. Ich wollte von ihm geküsst werden. Ich wollte wissen, wonach er schmeckte. Ich schloss die Augen.
Kurz bevor sich unsere Lippen trafen, hielt er für ein paar Sekunden inne, Sekunden, die mir wie eine Ewigkeit erschienen. In mir wuchs das Verlangen, in jedem Nerv. Ich holte tief Luft und atmete seinen Duft nach Zedernholz und Salbei ein, als könnte ich ihn dadurch noch ein Stückchen näher zu mir ziehen, endlich meine Lippen auf seine pressen.
Doch er widerstand mir, warum auch immer.
Ich öffnete die Augen. Er schenkte mir ein schnelles, schiefes Lächeln, dann endlich gab er nach.
Seine Lippen waren weich und dennoch fest, als sie die meinen berührten. Da ich zitterte, schlang er seine Arme um mich. Wärme breitete sich in mir aus. Ich schloss wieder die Augen und dachte an die Fahrt auf dem Motorrad, auf der wir uns im Einklang mit dem Summen der Maschine gewiegt hatten. Doch jetzt, jetzt standen wir uns von Angesicht zu Angesicht gegenüber, pressten unsere Körper fest aneinander – Göttin, ich hielt ihn wirklich fest – , und die tosende Musik war mein Herz, das in meinen Ohren pochte.
Seine Arme um meine Taille waren so stark, und er löste seinen Griff auch nicht, als er den Kuss beendete. Wir standen dort, Stirn an Stirn, und versuchten zu Atem zu kommen. »Das wäre
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