Teufelskuss und Engelszunge - Jones, E: Teufelskuss und Engelszunge
hervor. Augenblicklich begann das Ding in allen Farben des Regenbogens zu leuchten. Beelzebub meinte, er müsse erblinden, als er von den grellen Strahlen getroffen wurde, und wandte unweigerlich das Gesicht ab.
»Verzeihung«, sagte Lady Elaine. Aus ihrer Tonlage war jedoch zu hören, dass sie diese Entschuldigung nicht ernst meinte. Die Lichter erstarben und zurück blieb eine von kläglichem Schimmer durchzogene Dunkelheit.
»Danke, das ist weitaus angenehmer«, sagte Beelzebub und blickte wieder zu ihr, in misstrauischer Erwartung, was sie als nächstes tun würde.
»Die Kugel zeigt mir einen Gegenstand.« Sie rieb wie eine Wahnsinnige über das Glas. Der Rest ihrer Haltung wirkte steif und apathisch. Auch in schwärzester Nacht hätte Beelzebub jede noch so winzige Muskelzuckung von ihr bemerkt. Alle Teufel konnten das. Im Gegenzug machte ihnen starke Helligkeit zu schaffen.
»Eine Flasche«, sagte Lady Elaine und hielt plötzlich inne. »Nein, nicht ganz. Es ist … ich weiß nicht, was es ist … Im Inneren befindet sich keine Flüssigkeit. Nein. Etwas anderes … Das ist«, sie stockte, »Sand.«
»Eine Sanduhr«, sagte Beelzebub und holte das kleine Exemplar hervor, das Luzifer ihm überlassen hatte und das er seitdem in der Innentasche seines Jacketts mit sich trug.
»Nein, die ist leer.« Die Alte schüttelte den Kopf.
»Aber nur, weil die Zeit des Menschendaseins der Seele abgelaufen ist.«
»Dummkopf!« Lady Elaine sprang auf. Sie schien wütend zu sein, aber Beelzebub war nicht ganz klar, warum. Die Glaskugel glitt ihr aus den Händen und fiel polternd zu Boden. Sie rollte geräuschvoll durch den Raum, bis sie gegen eine Wand stieß und liegen blieb.
»Warum hast du mir nicht längst gesagt, dass du den Zeitmesser der Seele mit dir herum schleppst?«
»Ich wüsste nicht, warum ich das hätte tun sollen«, entgegnete er.
»Gib mal her!« Sie riss ihm die Sanduhr aus den Händen. Beelzebub wollte sie protestierend zurückholen, doch die Alte schlug ihm einfach so lange auf die Finger, bis er still hielt. Dann drehte sie das kleine Utensil dicht vor ihrem Gesicht hin und her.
»Ja, das könnte gehen«, sagte sie schließlich. »Das lässt sich benutzen.«
»Benutzen für was?«
»Als Kompass natürlich.« Sie schüttelte den Kopf. »Hat Luzifer dir das nicht gesagt?«
Natürlich hatte Luzifer ihm das gesagt, gestand sich Beelzebub ein. Lady Elaine gegenüber schwieg er jedoch.
»Und ich dachte immer, ihr da unten wüsstet am besten, wie man solche Dinge einsetzt«, sagte sie und rollte dabei mit den Augen.
»Tun wir auch«, log Beelzebub. Er selbst hatte sich allerdings nie mit Sanduhren oder dergleichen beschäftigt. Ihm waren die diversen Gefäße Luzifers immer ein Rätsel gewesen, und er hatte nie die Lust verspürt, sie lösen zu wollen.
»Hm«, machte Lady Elaine nur. Sie ging auf eine der Stoffbahnen zu, mit denen sie die Wände verhüllt hielt, und schob sie zur Seite. Zum Vorschein kam eine Kommode mit vielen kleinen Schubladen. Die mittlere in der obersten Reihe zog die Alte auf und holte daraus eine Dose mit rotem Pulver hervor. Sie öffnete den Verschluss und kippte ein wenig von dem Inhalt auf die Sanduhr. Unter normalen Umständen wäre der feine Staub einfach an dem Glas vorbei gerieselt. Doch in diesem Falle schlüpfte er wie durch Zauberhand in die Uhr hinein. Dort wechselte er seine Farbe von dem leuchtenden Rot in ein tristes Grau.
»Das genügt.« Lady Elaine verstaute den Tiegel wieder in der Schublade und reichte Beelzebub die Sanduhr.
»Danke.« Er starrte sie an und wartete auf eine Erklärung.
Seufzend stemmte die Alte die Hände in die Hüften. Sich mit ihm zu unterhalten, schien ihr beinahe zur Last geworden zu sein. »Also«, setzte sie an, »das Pulver färbt sich Rot, wenn die Seele in der Nähe ist. Sobald sie weniger als zehn Schritte entfernt ist, beginnt das Innere zu pulsieren, wie ein Herz. – Die weitere Handhabung ist leicht. Du schüttelst die Sanduhr kurz, hältst sie dann auf der flachen Hand und folgst der Richtung, die sie dir anzeigt.«
»Aha«, entgegnete Beelzebub. Er zweifelte, dass eine Sanduhr tastsächlich so einfach zu einem Kompass umfunktioniert werden konnte. Also schüttelte er sie gleich ein wenig durch und präsentierte sie Lady Elaine anschließend auf seiner rechten Handfläche. Zunächst passierte gar nichts. Beelzebub wollte schon triumphierend auflachen, da geschah doch noch etwas. Das kleine Gefäß drehte sich ein Stück
Weitere Kostenlose Bücher