Teufelsleib
Nicole.
»Einverstanden.«
»Die günstigen Mieten.«
»Das auch.«
»Die Nähe zu Frankfurt.«
»Okay.«
»Familiäre Gründe.«
»Als da wären?«, hakte Brandt nach.
»Eltern, Geschwister, Großeltern wohnen hier oder in einer der Nachbarstädte.«
»Könnte sein. Das würde aber bedeuten, dass er eventuell in Offenbach geboren wurde. Dahinter mache ich mal ein großes Fragezeichen.«
»Es könnten auch Freunde oder Bekannte sein, die hier wohnen.«
»Ein sehr, sehr großes Fragezeichen. Serienkiller haben selten einen größeren Freundes- oder Bekanntenkreis, sie sind in der Regel eher introvertiert und wollen in Ruhe gelassen werden. Und unser Mann ist, das wissen wir spätestens seit dem Mord an der Maurer, ein klassischer Serienkiller.«
»Trotzdem gibt es Ausnahmen von der Regel«, warf Nicole ein. »Und außerdem – gibt es überhaupt
den
klassischen Serienkiller?«
»Keine Ahnung, aber die Täterprofile weisen in vielen Fällen doch eine frappierende Ähnlichkeit auf.«
»Schon, dennoch würde ich ihn nicht zu den klassischen Killern zählen. Wäre ja auch möglich, dass er – auch dafür gibt es Beispiele – verheiratet ist und Kinder hat. Womit ich wieder bei der Frage wäre, was ihn antreibt. Was?«
»Das ist die Kernfrage. Noch mal von vorne: Drei Prostituiertenmorde innerhalb des Offenbacher Stadtgebiets. Ein solcher Fall ist der erste in der Offenbacher Kriminalgeschichte. Der Auslöser, und da bin ich absolut sicher, ist oder war eine Frau. Die Frage ist, welche Rolle spielt oder spielte diese Frau in seinem Leben?«
»An erster Stelle kommt natürlich die Mutter …«
»Womit wieder einmal das Klischee bedient wird von der unglücklichen Kindheit, der Übermutter, der dominanten Mutter …«
»Oder der wegschauenden Mutter«, wurde er von Nicole unterbrochen.
»Inwiefern?«
»Ich hab mich vielleicht falsch ausgedrückt, ich meine eher eine Mutter, die sich überhaupt nicht um ihren Sohn gekümmert hat, wofür es unterschiedliche Gründe geben kann. Er war ein unerwünschtes Kind und wurde links liegengelassen, die Mutter hatte ein Alkohol- oder Drogenproblem und konnte sich deshalb nicht um ihn kümmern …«
»Oder sie war krank, und er hat sich von Kindesbeinen an um sie gekümmert«, sagte Brandt. »Je älter er wurde, desto zorniger wurde er, weil er sich seiner Kindheit beraubt fühlte. Keine Ahnung, ob das ein Motiv sein könnte.« Brandt zuckte die Schultern.
»Ja. Oder sie war eine Hure, nicht unbedingt im klassischen Sinn, aber sie hatte häufig wechselnde Männerbekanntschaften. Wir kennen doch in unseren Problemvierteln mehrere solcher Fälle. Zum Beispiel unsere gute alte Bekannte Heidi, die sechs Kinder von sechs Männern hat. Neusalzer Straße, wie die Maurer.«
»Aber die Maurer hatte zwei Kinder von einem Mann.«
»Ja, aber angenommen, die Mutter unseres Täters brachte ständig Männer mit nach Hause, er bekam das natürlich mit, sah vielleicht einige Male sogar, wie sie es trieben, möglicherweise war auch Gewalt im Spiel, er hat irgendwann angefangen, seine Mutter zu hassen, obwohl er sie gleichzeitig über alles geliebt hat …«
»Macht so was jemanden zum Mörder?«, fragte Brandt zweifelnd.
»Es gibt geringere Dinge, die jemanden zum Mörder machen«, war die lapidare Antwort, während Nicole auf die Bilder schaute.
»Okay.«
»Mich interessiert eigentlich noch etwas ganz anderes«, sagte Nicole, die sich sichtlich in den Fall hineinsteigerte und Brandt ansah. »Warum hat die Maurer weiter in der Neusalzer Straße gewohnt? Sie hätte für sich und ihre Familie doch locker eine Wohnung, sagen wir, im Hochhaus in der Mödlingstraße mieten können.«
»Und wie hätte sie das erklären sollen?«
»Da gibt’s nicht viel zu erklären, sie hatte doch eine Stelle als Putzfrau …«
»Tja, dann hätte sie aber eine Arbeitsbescheinigung vorlegen müssen, und die hatte sie nicht. Sie hat wirklich in zwei völlig verschiedenen Welten gelebt, die eine im sozialen Abseits, die andere in totalem Luxus. Keine Ahnung, wie sie das gepackt hat, das muss ein unglaublicher Spagat gewesen sein.«
»Und mit Sicherheit auch ein Kraftakt. Es ist irgendwie schon bewundernswert, wie sie und auch die Zeidler das geschafft haben. Für sie bestand doch immer das Risiko, dass irgendjemand hier in Offenbach hinter ihr Doppelleben hätte kommen können. Jemand erkennt sie in ihrem Mercedes oder …«
»Sie hat sich so zurechtgemacht, dass keiner, nicht einmal
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