Teufelsleib
dritter Mord hinzugekommen, nämlich an ihr.« Brandt deutete auf das dritte Foto. »Linda Maurer arbeitete genau wie die Zeidler und die Schubert als Prostituierte. Wie bei der Zeidler wusste niemand aus ihrer Familie und ihrem direkten Umfeld etwas von dieser Tätigkeit. Offiziell arbeitete sie als Putzfrau. Sie verließ jeden Nachmittag um dieselbe Uhrzeit ihre Wohnung in der Neusalzer Straße und kam in der Regel am späten Abend oder erst nachts wieder …«
»Wo hat sie gearbeitet? In einem Bordell?«
»Erklär ich dir alles. Denn jetzt kommt’s: Sie hat nicht in einem Puff gearbeitet, sondern sie hat dasselbe gemacht wie die Zeidler – sie war eine Edelnutte der obersten Kategorie, Champions League sozusagen. Sie hatte jede Menge Kohle und einen sehr einflussreichen Gönner, den Elvira und ich heute aufgesucht haben – Dr. Josef Robenstein.«
»
Der
Robenstein? Der Privatbankier?«, fragte Nicole mit ungläubigem Blick und nahm einen Schluck von ihrem Bier.
»Genau der. Er hat uns von seiner großen Liebe zur Maurer erzählt, dass er mit ihr ans andere Ende der Welt abhauen wollte und so weiter …«
»Moment, damit ich das richtig verstehe – sie war eine Hure, und Robenstein war verliebt in sie? Hört sich ziemlich kitschig an.«
»Mag sein, aber er hat sie geliebt und alles für sie getan.«
»Und wieso wollte er weg?«
»Lange Geschichte. Nur so viel: Der Typ ist todunglücklich, er wollte nie die Bank übernehmen, er hat eine Frau, die ich nicht geschenkt haben möchte … Ein bedauernswerter Kerl, der sein Leben nie wirklich auf die Reihe gekriegt hat.« Brandt überlegte und verbesserte sich: »Nein, er hat sein Leben schon auf die Reihe gekriegt, aber er durfte nie
sein
Leben leben. Und dann hat er vor über zwei Jahren die Maurer kennen und lieben gelernt und sie nach Strich und Faden verwöhnt. Doch sie hat auch andere Männer bedient, ihr Terminkalender muss ziemlich voll gewesen sein, wie ihre Kollegin mir erzählte. Robenstein behauptet zwar, es habe ihm nichts ausgemacht, dass sie neben ihm auch noch mit anderen Männern in die Kiste gestiegen ist, aber so richtig abnehmen kann ich ihm das nicht, denn wer eine Frau so liebt, wie er die Maurer geliebt hat, dem muss es zwangsläufig das Herz zerreißen, wenn er weiß, dass die Liebe seines Lebens die Beine auch für andere breit macht. Trotzdem scheidet er als Täter aus, denn warum hätte er die Zeidler und die Schubert umbringen sollen?«
»Wenn sie finanziell so gut dastand, warum hat die Maurer dann überhaupt noch diesen Job ausgeübt?«
»Ihrer Kinder wegen. Sie hatte Angst, dass man sie ihr wegnehmen würde, wenn rauskäme, womit sie ihr Geld verdient. Die zwei sind zehn und zwölf Jahre alt, der Junge ist taubstumm. In zwei bis drei Jahren wären Lara und Tobias alt genug gewesen, um selbst zu entscheiden, wo sie bleiben möchten. Aber dazu ist es ja nun nicht mehr gekommen, die Entscheidung hat ein Killer gefällt.«
»Aber wenn sie aufgehört hätte, hätte sie doch keine Angst mehr zu haben brauchen. Oder hab ich da was falsch verstanden?«
»Sie wollte noch etwa zwei Jahre weitermachen, bis sie finanziell völlig unabhängig gewesen wäre, um dann mit den Kindern abzuhauen. Zweieinhalb Millionen wollte sie auf dem Konto haben, bis jetzt waren es inklusive Sachwerten schon fast zwei Millionen. Laut Robenstein wollte sie nach Neuseeland, ihr großer Traum. Und mit einem ordentlichen finanziellen Polster im Rücken ist ein solcher Schritt leichter zu vollziehen. Zwar hatte sie Robenstein, aber ihre Unabhängigkeit war ihr wichtig.«
Brandt berichtete nun detailliert und dennoch in der für ihn typischen Knappheit über den Mord an Linda Maurer, von ihren beiden Kindern, die ihre Mutter am Freitagvormittag als vermisst gemeldet hatten, von dem versoffenen Ehemann und von dem Doppelleben, von dem nicht einmal ihre Schwester etwas wissen durfte. Nach seinen Ausführungen trank er das Glas leer und fragte, ob er sich noch eine Flasche Bier holen dürfe.
»Ja, und bring bitte gleich zwei mit.«
»Meinst du, du …«
»Tu’s einfach.«
Kurz darauf stellte er die geöffneten Flaschen auf den Tisch. »Und, was ist deine Meinung?«, fragte er und schenkte sich nach. Nicole hielt ihm ihr Glas hin, und er füllte auch dieses.
»Das waren sehr viele Informationen auf einmal. Ich möchte mir noch mal die Fotos anschauen.«
Brandt sagte nichts, Nicole hatte sich nach vorn gebeugt, nickte ein paarmal und sagte schließlich:
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