Teufelsleib
von andern. Wie wir es drehen und wenden, die Schuld liegt letztendlich allein bei der Mutter, zumindest sieht er das so …«
»Okay, halten wir fest: Das Motiv für seine Taten könnte in seiner Kindheit liegen und mit der Mutter zu tun haben. Er liebt seine Mutter oder hat sie geliebt, dann war da aber auch der Hass gegen das, was sie getan oder ihm angetan hat. Die Lebenslüge, die er nicht ertragen hat oder ertragen konnte. Womöglich war sein Umfeld auch von Gewalt geprägt, denn Sex und Gewalt gehen – und das wissen wir beide aus dem Job zur Genüge – oft eine unheilvolle Verbindung ein … Wer oder was käme noch in Frage? Eine Frau, die seine Liebe verschmäht hat?«
»Es geht bei ihm ausschließlich um Frauen, Männer interessieren ihn nicht. Vielleicht kennt er seinen Vater nicht einmal. Aber weil wir so wenig über ihn wissen, ist alles, was wir sagen, rein hypothetisch.«
»Das ist klar. Aber was fällt dir noch ein?«, wollte Brandt wissen.
»Introvertiert, er traut sich nicht, Frauen anzusprechen. Wird schnell rot, fängt vielleicht an zu stottern, sobald
er
angesprochen wird …«
»Hat Erektionsprobleme, wenn er mit einer Frau zusammen ist. Wurde vielleicht deswegen schon mal ausgelacht«, fügte Brandt als nächsten Punkt hinzu. »Eine der größten Demütigungen für einen Mann.«
»Zieht sich Pornos rein, um sich zu befriedigen. Weil es mit einer Frau nicht klappt.«
»Hm, und in den Pornos sieht er die superpotenten Hengste, die stundenlang rammeln können, während er ein Versager ist.«
»Was ist mit einem körperlichen Handicap?«
»Möglich, es gibt Fälle von Serienmördern, die unter körperlichen Handicaps litten und deswegen von der Gesellschaft ausgegrenzt wurden oder sich selbst ausgrenzten«, sagte Brandt.
»Aber so einen würden wir in der Kirche sehr schnell finden. Ich glaube nicht an ein körperliches Handicap, höchstens ein nicht sichtbares …«
»Ich gebe dir recht. Seine Behinderung ist psychischer und emotionaler Natur. Er ist nicht fähig zu lieben. Aber kann jemand, der zur Liebe nicht fähig ist, hassen?«, fragte Brandt zweifelnd.
»Das wird mir jetzt zu philosophisch. Wir kommen auch von unserer Linie ab. Er hat drei Frauen getötet, von denen er wusste, dass sie Huren waren. Schreib mal auf: Offenbach – Andreas-Gemeinde – Huren – Zwang zu töten – Mutter – Freundin – Ehefrau – Religion – Reinigung – Todessehnsucht. Die Reihenfolge ist beliebig. Hast du’s?«, fragte Nicole.
»Ja. Was meinst du mit Todessehnsucht?«
»Es könnte sein, dass unser Täter die Lust am Leben verloren hat oder keinen Sinn in seinem Leben mehr sieht, sich aber nicht traut, seinem Leben ein Ende zu setzen. Stattdessen bringt er die um, von denen er meint, dass sie für sein Unglücklichsein verantwortlich sind. Wobei die Opfer stellvertretend für eine oder mehrere Personen den Kopf hinhalten mussten und wahrscheinlich auch noch müssen. Er befindet sich auf seinem persönlichen Kreuzzug, und er allein bestimmt, wann dieser Kreuzzug zu Ende ist.«
»Meinst du wirklich, er denkt so? Für meine Begriffe hat er längst die Kontrolle verloren und ist wie ein ruheloser Wolf unterwegs. Vielleicht sollen wir einfach nur denken, dass seine Taten religiös motiviert sind, dabei geht es ihm nur ums Morden an sich. Er ist ein Triebtäter und Sadist. Er braucht den ultimativen Kick, der ihm Orgasmen verschafft. Und dann kommt der Druck wieder, und er muss es wieder tun. Die Abstände werden sich verkürzen, wenn wir ihn nicht bald schnappen.«
»Was ist mit der Presse?«
»Wir haben lange hin und her überlegt, wie wir es handhaben sollen und uns letztendlich dafür entschieden, keine Details herauszugeben. Das würde nur Panik unter den Huren auslösen.«
»Ja und? Besser, sie sind wachsam, als …«
»Mag sein, aber du kannst Huren nicht schützen, die leben in einer eigenen Welt. Denk mal an Jack the Ripper, er hat eine nach der anderen ermordet, die Frauen haben trotzdem weitergemacht, obwohl sie wussten, in welcher Gefahr sie schwebten. Und so war es doch in der Folgezeit bei allen Hurenmorden … Wie auch immer, er ist jemand, von dem niemand jemals denken würde, dass er ein Killer sein könnte. Das steht für mich fest.« Brandt holte tief Luft und fuhr fort: »Ich denke, das war genug für heute, ich bin ziemlich groggy. Vielen Dank für deine Hilfe, du glaubst gar nicht, wie sehr du mir geholfen hast.«
»Und du glaubst gar nicht, wie
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