Teufelsleib
Raums befanden sich ein Tisch und dahinter ein Stuhl. Drei große Neonröhren spendeten gleißendes Licht, dazu kam Licht von drei Bühnenscheinwerfern, die, sobald die Frauen wieder bei Bewusstsein wären, wie Tausende von Nadeln in ihre Augen stechen würden.
Es war eine perfekte Inszenierung, und er war stolz, dies auf die Beine gestellt zu haben.
Er setzte sich auf seinen Stuhl, die Hände gefaltet, und wartete. Er war geduldig, Zeit spielte keine Rolle. Sein Blick ging immer wieder zu den zwei Frauen, die ihm so arglos vertraut hatten, wie ihm alle Frauen immer vertraut hatten. Doch diese beiden kannten ihn ja auch bereits seit drei Jahren.
Ein Blick zur Uhr: 23.31.
Max und Thomas werden sich bald wundern, wo ihr bleibt, sagte er im Flüsterton und begutachtete Julianes wohlgeformten Körper. Ein Körper, den sie nie zeigte, obwohl er vorzeigenswert war – wie auch der ihrer Mutter, wie er feststellen konnte.
Um 23.59 Uhr begann Juliane sich zu regen, nur zwei Minuten darauf auch ihre Mutter. Der Showdown konnte beginnen.
Sonntag, 16.10 Uhr
I ch kann nicht mehr«, stöhnte Elvira Klein, als sie im Präsidium eintrafen. Nach dem traurigen Besuch bei den Preusses waren sie in ein nettes, kleines Café eingekehrt und hatten fast anderthalb Stunden über die Ereignisse des Tages gesprochen, Brandt hatte vier Tassen Kaffee getrunken und Käsekuchen gegessen, während Elvira sich mit Pfefferminztee und einem Croissant begnügte. Die Begegnung mit den Preusses hatte Spuren hinterlassen, denn wieder einmal hatten sie hautnah erfahren, wie leicht es heutzutage war, aus einem gesicherten Leben tief nach unten zu fallen, wo niemand einen auffing.
»Da glaubst du, dein Leben ist in Ordnung, dann wirst du plötzlich krank und fällst für längere Zeit aus, und schon bist du für deinen Arbeitgeber nicht mehr tragbar«, sagte Brandt und schüttelte verständnislos den Kopf. »Ich bin so was von froh und dankbar, dass ich Beamter bin und mir um meinen Job keine Sorgen zu machen brauche. Ich verdiene zwar nicht die Welt, aber ich bin wenigstens abgesichert.«
Elvira sah in ihre gläserne Teetasse, drehte sie zwischen den Fingern und meinte, ohne auf Brandts letzte Bemerkung einzugehen: »Und dann verlieren sie ihre Tochter an einen wahnsinnigen Killer. Es war gut, dass wir ihnen nicht gesagt haben, welcher Tätigkeit ihre Tochter nachgegangen ist. Das hätte sie noch tiefer runtergezogen.«
»Sie wären daran zerbrochen«, wurde sie von Brandt korrigiert. »Die sind doch jetzt schon ganz unten und sehen keine Perspektive mehr. Der Preusse dürfte Mitte fünfzig sein, der findet nie wieder einen Job. Und seine Frau hat sich ihr Leben lang nur um die Familie gekümmert. Aber wir dürfen das nicht zu sehr an uns heranlassen. Genau wie bei unserem Kroaten. Vladic ist doch auch so eine arme Sau.«
»Themawechsel. Nicht auch noch Vladic, dieser Tag war schon mies genug. Bezahl und lass uns gehen. Bitte.«
Danach waren sie ins Präsidium gefahren, weil Brandt sich unbedingt noch die Unterlagen ansehen wollte, die Bauer auf seinen Schreibtisch gelegt hatte.
»Muss das wirklich alles noch heute sein?«, fragte Elvira.
»Gib mir fünf Minuten, damit ich wenigstens einen Blick darauf werfen kann. Okay?«, sagte Brandt etwas gereizt, schaltete seinen Rechner ein und nahm sich die Unterlagen zum Mordfall Liane Schreiber vor.
»Da brauchst du aber nicht gleich so grantig zu werden«, erwiderte Elvira und ließ sich auf einen Stuhl fallen, zog die Schuhe aus und massierte sich die Füße. »Mir tut alles weh, kannst du das nicht verstehen?«
»Doch, nur zu gut, aber in meinem Job lernst du, den Schmerz im Notfall zu unterdrücken. Außerdem laufe ich gerade heiß, weil ich merke, dass wir aufholen. Der Saukerl soll unsern Atem im Nacken spüren. Wir schnappen zu, wenn er nicht damit rechnet.«
»Gut und schön. Und das willst du heute noch über die Bühne bringen?«
»Elvira, bitte, nur ein paar Minuten. Ich will ja auch nach Hause und mich mal meinen Mädels zeigen. Seit sie aus dem Urlaub zurück sind, hab ich sie kaum zu Gesicht bekommen.«
Elvira legte den Kopf zurück und schloss die Augen. Sie sehnte sich nach einem Sofa. Und sie bewunderte Brandt für dessen Energie und Elan. Mit Ende vierzig schien er noch endlos belastbar. Sie war kurz vor dem Wegnicken, als Brandts Stimme sie herausriss.
»Schau dir das an. Wenn ich diese Fotos mit den Fotos unserer Opfer vergleiche … Das ist
seine
Handschrift. Wer immer
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