Teufelsleib
und welchen Weg sie zu nehmen pflegte. Er hat ihr aufgelauert und sie auf der Baustelle umgebracht. Sieben Stiche, wie bei der Preusse. Er hat keine weitere Gewalt angewendet, er hat sich auch seiner späteren Symbole noch nicht bedient. Er befand sich in einer Art Testphase – kann man das so sagen? –, hatte aber schon Blut geleckt. Das Morden fiel ihm zusehends leichter, und er fühlte sich auch zusehends erleichtert …«
»Ziemlich viel Spekulation …«
»Wenn wir nichts in der Hand haben, ist doch alles Spekulation, liebe Elvira. Mein Gefühl sagt mir, ich liege richtig. Er ist es, er hat alle diese Frauen umgebracht.«
»Okay, wenn wir schon dabei sind, dann verrat mir doch, warum er nach der Werner knapp zwei Jahre hat verstreichen lassen, bevor er wieder zuschlug? Ergibt das Sinn? Für mich nicht, denn zwischen der Schreiber und der Werner lagen nur knapp fünf Monate. Danach machte er eine Pause von fast zwei Jahren. Hast du dafür eine Erklärung, Schatz?«, fragte sie mit leichter Ironie in der Stimme.
»Nein, hab ich nicht. Er hat ja auch nach dem Mord an der Zeidler wieder fünf Monate verstreichen lassen. Und nach der Schubert weitere fünf. Aber jetzt hat er plötzlich zweimal innerhalb von zwei Tagen zugeschlagen. Er geht nicht nach einem bestimmten Zeitplan vor, bei ihm wird das Verlangen zu morden durch irgendetwas
in ihm
ausgelöst. Frag mich jetzt aber nicht, was das sein könnte. Ich bin übrigens immer noch in der Spekulationsphase.«
»Und was ist mit den religiösen Symbolen?«, wollte Elvira wissen. »Warum hat er erst bei der Schubert damit angefangen?«
»Woher soll ich das wissen? Außerdem glaube ich, dass er schon bei der Zeidler begonnen hat, mit den Symbolen zu spielen, wir haben sie am Tatort nur nicht wahrgenommen. Ich glaube außerdem, dass er nicht aus religiösen Motiven heraus handelt, sondern mit den Symbolen nur Aufmerksamkeit erregen will. Er ist kein religiöser Mensch, oder er ist jemand mit einer gespaltenen Persönlichkeit. Schizophren, psychotisch … Andererseits glaube ich nicht, dass er psychisch krank ist, er weiß genau, was er tut. Keine seiner Handlungen ist affektbedingt. Jeder Mord, den er begangen hat, wurde von ihm geplant, und wer einen Mord plant, ist nicht schizophren. Er folgt einem Muster, das er selbst konstruiert hat. Und dazu zählt das Spiel mit uns.« Brandt sah Elvira an, legte ihr den Arm um die Taille und drückte sie an sich. »Und jetzt verschwinden wir.«
Er schaltete den Rechner aus, erhob sich und klemmte sich die Unterlagen unter den Arm.
»Auf geht’s, Feierabend.«
»Feierabend mit den Akten?«, entgegnete Elvira mit hochgezogenen Brauen.
»Ja«, erwiderte er lächelnd und gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Bis wir ihn haben. Und wenn es sein muss, geh ich mit dem Zeug schlafen. Außerdem hast du vorhin selber gesagt, dass ich sie mitnehmen darf.«
»Ist ja gut.«
»Tut mir leid, für mich gibt es vorerst keinen Feierabend. Ich muss dranbleiben, solange ich die Fährte sehen kann. Bitte versteh mich. Wenn ich fertig bin, bist du wieder an der Reihe.«
»Inwiefern bin ich an der Reihe?«, fragte sie ungehalten und verwirrt zugleich.
»Dann übernimmt die Staatsanwaltschaft. Oder was dachtest du? Ah, natürlich, ihr Frauen denkt ja anders als wir hirnlosen Jäger und Sammler. Ich werde mich natürlich dann auch wieder dir hingebungsvoll widmen. Entschuldige, dass ich mich nicht von vornherein klar und deutlich ausgedrückt habe, aber ich gehöre nun mal zur unterentwickelten Spezies, genannt Mann.«
»Gut, dass du das endlich eingesehen hast«, erwiderte sie und tätschelte seine freie Hand. »Schön, dass ich solche Momente noch miterleben darf. Wir können gehen.«
»Ach Elvira, wenn ich dich nicht hätte …«
»Ja, ich weiß, ohne mich wäre dein Leben eine einzige trostlose Wüste und keine Oase weit und breit.«
»Deine Eloquenz und dein Scharfsinn verblüffen mich doch jedes Mal aufs Neue. Würdest du bitte die Tür hinter mir zumachen, Schatz?«, sagte er.
»Aber ja doch, Liebling.«
Sonntag, 17.35 Uhr
E s war dunkel geworden, der Schneefall hatte endlich aufgehört, und der Himmel war sternenklar, als sie vor Brandts Wohnhaus in der Elisabethenstraße aus dem Wagen stiegen.
»Bleibst du heute hier?«, fragte Brandt.
»Ich überleg’s mir noch. Wenn ich mir vorstelle, dass du die ganze Zeit nur über den Akten brütest …«
»Und wenn ich deine Hilfe benötige? Bleib hier, das ist doch quasi dein
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