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Teufelsleib

Titel: Teufelsleib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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Huren. So wie meine Mutter eine ist.«
    Erika Trautmann saß wie zur Salzsäule erstarrt auf ihrem Stuhl, während in Julianes Blick blankes Entsetzen stand.
    »Du hast die ganzen Morde begangen?
Du?
«, stieß Juliane hervor.
    »Ja, ich, der nette, liebe Johannes, mit dem du dir hättest vorstellen können, eine Familie zu gründen. Daraus wird wohl nichts, wir sind einfach nicht füreinander geschaffen.«
    Sie wollte etwas sagen, doch er hob die Hand und bedeutete ihr mit einer eindeutigen Bewegung, den Mund zu halten.
    »Habt ihr gut zugehört? Oder soll ich es wiederholen?«, fragte er und sah von Juliane zu Erika, fixierte sie, doch sie wich seinem Blick aus.
    »Es war ja ziemlich deutlich«, sagte Juliane nach einer Weile. »Hast du das wirklich erlebt?«
    »Oh komm, tu nicht so scheinheilig! Willst du jetzt die Psychologin rauskehren und von den Morden ablenken? Willst du von mir hören, ich bin zum Mörder geworden, weil ich so eine schlimme Kindheit und Jugend hatte? Ja, das war bestimmt der Auslöser, so weit kann ich mich auch einschätzen. Aber bitte, tu nicht so, als hättest du auch nur das geringste Mitgefühl. Du kannst dir nicht mal ansatzweise vorstellen, wie meine Kindheit und Jugend ausgesehen hat. Dabei kann ich dich verstehen, schließlich willst du so schnell wie möglich hier raus, aber leider wird das nicht geschehen, denn wenn ihr hier rauskämet, würden die Bullen zu mir kommen. Und das will und kann ich nicht riskieren … Erika, meine Liebe, du bist so still und nachdenklich. Was ist los? Was geht in deinem Kopf vor? Sind es vielleicht Erinnerungen an eine Zeit, die du am liebsten verdrängt hättest? Oder hast du eine bestimmte Lebensphase in eine Schublade gepackt und diese Schublade abgeschlossen und den Schlüssel weggeworfen?«
    »Ich weiß nicht, worauf du hinauswillst, aber es gibt nichts zu verdrängen, und ich habe mir auch nichts vorzuwerfen«, antwortete sie und blickte ihm zum ersten Mal in dieser Nacht in die Augen. In ihrem Blick lagen Abscheu, Verachtung und sogar Hass. Sie lächelte für einen Augenblick, bis ihre Gesichtszüge sich wieder versteinerten und sie die Erika Trautmann wurde, die er vor drei Jahren kennengelernt hatte – introvertiert und doch dominant. Eine Frau, die genau wusste, was sie wollte, die sich in der Kirche einbrachte, die half, wo Hilfe vonnöten war, die in der Apotheke mitarbeitete, die ihren Kindern Thomas und Juliane die beste aller Mütter war, die jeden Tag mehrere Rosenkränze betete, die die Heilige Schrift in- und auswendig kannte, die eine Frauengruppe in der Gemeinde leitete, die im Chor mitsang, die einmal in der Woche zur Beichte ging, die Obdachlose unterstützte und wieder in die Gesellschaft zu integrieren versuchte, die sich für Kinder einsetzte … Die alles tat, um eines Tages in den Himmel zu kommen. Die aber trotz allem Angst vor dem Jüngsten Gericht hatte, vor dem, was ihr vielleicht vorgehalten werden würde. Dass ihr die Errettung verwehrt werden könnte, der Eintritt ins Himmelreich.
    Er kannte Erika Trautmann besser als alle anderen Menschen, sich selbst ausgenommen. Er hatte sie studiert, ihre Mimik, ihre Gestik, ihr Verhalten, wie sie sprach, klar, deutlich und mit starker, wenn auch meist leiser Stimme, die Stärke lag in der Betonung der einzelnen Wörter. Wie sie die Menschen ansah, mit ihnen umging, ihnen zur Seite stand.
    Und wie sie ihre Familie sanft und doch bestimmt führte, selbst ihren Mann, der seiner Frau gerne das Zepter in die Hand gab, als sie beschlossen hatten, sich das Jawort zu geben.
    Vor gut zweiunddreißig Jahren.
    Johannes neigte den Kopf und schürzte die Lippen. »Du hast dir nichts vorzuwerfen? Wie kommst du überhaupt darauf, dass ich dir etwas vorwerfen könnte? Wir sind doch alle Sünder, und wir haben alle unsere Leichen im Keller.« Nach dem letzten Satz lachte er glucksend auf und fuhr fort: »Na ja, das mit den Leichen habe wohl nur ich wörtlich zu nehmen, immerhin sind es schon sechs. Aber ich schweife ab. Kommen wir noch mal zu dir. Du denkst also, dass ich dir etwas vorwerfen könnte. Was denn zum Beispiel?«
    »Das habe ich nicht gesagt, ich habe nicht gesagt, dass
du
mir etwas vorwerfen könntest, denn ich wüsste nicht, was. Ich habe nur von mir gesprochen«, erwiderte sie, doch in ihrer Stimme klang eine Spur Unsicherheit, wenn nicht sogar Angst mit.
    Wieder schürzte er die Lippen, nickte kaum merklich und atmete ein paarmal tief ein und wieder aus. »Diesen Worten

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