Teufelsleib
ist und dass ich damit sehr wohl durchkomme. Denn niemand wird euch hier finden.« Er grinste zynisch. »Niemand«, wiederholte er.
»Warum hast du …«
Er beugte sich nach vorn, die Unterarme auf Julianes Schenkel gestützt, die Hände gefaltet. »Die Zeit, ich habe nicht viel Zeit, aber ihr sollt wissen, warum ihr hier seid. Drei Jahre lang, meine Lieben, drei Jahre habe ich auf diesen Augenblick hingearbeitet. Und es hat alles perfekt funktioniert. Niemand in der Kirche oder bei den Bullen wird je auf die Idee kommen, ich könnte euer Entführer sein. Nun, auf die Idee werden sie schon kommen, aber ich werde denen ein einigermaßen gutes Alibi liefern. Dazu mein ausgezeichneter Leumund, den Winkler, dieser schwachköpfige Pfaffe, gewiss bestätigen wird. Ich habe doch eine Menge in der Gemeinde bewirkt, oder besteht daran auch nur der geringste Zweifel? Ich denke, ich bin fein raus, denn es gibt nichts, was mich mit eurem Verschwinden in Verbindung bringen könnte.«
»Warum?«, fragte Erika Trautmann mit Tränen in den Augen. »Warum, warum, warum? Sag es doch endlich.«
»Du bist so ungeduldig, das kenne ich gar nicht von dir. Nun gut, bringen wir’s hinter uns. Es ist eine lange Geschichte, aber ich werde versuchen, mich so kurz wie möglich zu fassen. Bevor ich beginne – habt ihr noch Fragen?«
»Fang schon an«, stieß Erika mit heiserer Stimme hervor.
Johannes stand auf und blickte zu Boden, als müsste er seine Gedanken ordnen, dabei hatte er alles unzählige Male durchgespielt. Er hatte die Hände in den Hosentaschen, ging um die beiden Frauen herum, legte ihnen die Arme erst um die Schultern, dann berührte er ihre Brüste. »Sehr schön, sehr, sehr schön. Das musste ich immer machen, wenn sie mich gerufen haben. Natürlich wisst ihr nicht, wovon ich spreche, und eigentlich beginnt die Geschichte viel früher. Sie beginnt bei meiner Mutter und einem Vater, den ich nie kennengelernt habe. Meine ersten Erinnerungen reichen bis zu meinem zweiten Lebensjahr zurück … Meine Mutter war eine Rabenmutter. Sie hing an der Flasche, so weit ich zurückdenken kann. Je älter ich wurde, desto mehr hat sie gesoffen, bis sie nur noch sturzbetrunken im Bett oder auf der Couch lag, manchmal auch auf dem Fußboden. Ich nenne das einen Permasuff. Zum Schluss hat mich das Jugendamt ihr weggenommen und in ein Heim gesteckt …«
Er ging zu seinem Stuhl zurück und stützte sich auf die Rückenlehne. »Na ja, es war ein Waisenhaus, geführt von Nonnen. Ich war sieben Jahre alt – unbedarft wie alle Siebenjährigen. Ich glaubte an das Gute und dachte, dort würde ich es in jedem Fall besser haben als bei meiner besoffenen Frau Mama … Doch weit gefehlt. Was mich dort erwartete, war nicht der Himmel, es war die Hölle. Schläge, Demütigungen, Verrat … Wir wurden eingesperrt für die geringsten Vergehen, wir wurden verprügelt, bis wir nicht mehr laufen konnten … Ihr kennt das alles, wir haben uns schon über solche Sachen unterhalten, aber nie im Zusammenhang mit mir. Das Schlimmste jedoch war, wenn ich nachts zu diesen schwarzen Teufeln gerufen wurde, um …«
Er ging zu Erika, fasste ihr zwischen die Beine und steckte ruckartig zwei Finger in ihre Vagina, zog sie wieder heraus und
grinste.
Mit beinahe stoischer Ruhe fragte sie: »Was sollte das jetzt?«
Er lächelte maliziös, packte sie am Kinn und drückte zu. »Sieh mich an! Was siehst du? Hm, was?«
»Einen armen Menschen«, quetschte sie hervor.
»Was für eine diplomatische Antwort. Oh Gott, was seid ihr doch erbärmlich! Dabei hast du vielleicht sogar recht, ich bin ein armer Mensch, nicht materiell, aber … Nein, das tut nichts zur Sache. Ich werde dir sagen, was das eben sollte. Das war nur ein Bruchteil dessen, was ich jahrelang in diesem verfluchten Heim machen musste. Nacht für Nacht für Nacht. Jede gottverdammte, verfluchte Nacht haben sie mich geholt, und ich musste ihnen zu Diensten sein. Nonnen! Beten konnten sie, sich bekreuzigen konnten sie, die Heiligkeit in Person spielen konnten sie. Sie taten alles, um den Schein zu wahren … Aber was sich hinter den Mauern abspielte, wenn keiner da war, um uns Kinder zu beschützen, das bekam niemand mit. Und die Schläge oder die Tage und Nächte im Kerker waren noch am leichtesten zu ertragen. Elf gottverdammte Jahre bin ich in dem Heim geblieben, ich habe trotz allem mein Abitur gemacht, ich habe gelernt, meine Gefühle zu unterdrücken, ich habe gelernt, wie man überlebt,
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