Teufelsleib
sollte, er war auf einmal sicher, sich nicht länger vor der Polizei verstecken zu können. Nur noch dieses eine Spiel, dachte er, nur noch dieses eine einzige Spiel. Er trank ein zweites Glas Wein und legte sich hin. Doch er konnte nicht schlafen. Er musste dieses eine Spiel noch spielen, er wollte zeigen und beweisen, dass er mächtig war.
Montag, 3.27 Uhr
B randt tastete nach seinem Handy, erkannte die Nummer auf dem Display und nahm das Gespräch an.
»Ja, was gibt’s denn?«
»Klaus hier. Wir brauchen dich dringend in Bieber bei einer Familie Trautmann. Herr Trautmann hat seine Frau und Tochter eben als vermisst gemeldet. Wir dachten, das könnte mit deinem Fall zusammenhängen, weil die Trautmanns …«
»Ich hab die Adresse. Bin in zehn Minuten bei euch.«
Er sprang aus dem Bett, Elvira hatte sich aufgesetzt und sah ihn aus müden Augen an. »Was ist denn jetzt schon wieder passiert?«
Während er sich anzog, sagte er: »Keine Zeit, nur so viel: Familie Trautmann sagt dir doch was. Frau Trautmann und ihre Tochter werden vermisst. Ich muss sofort hin.«
»Soll ich mitkommen?«
»Nein, ich muss mich beeilen. Wir sehen uns später im Präsidium, oder ich komm zum Frühstück kurz nach Hause. Sag den Mädels nachher Bescheid, falls ich noch nicht zurück bin. Ciao.«
Er rannte die Treppe hinunter und war keine zehn Minuten später bei Trautmann.
Vor dem Haus besprach er sich kurz mit Schulze und Weiner vom KDD und meinte: »Ich kümmere mich darum, aber haltet euch bitte zur Verfügung. Das hat mit unserm Fall zu tun.«
»Können wir dir irgendwas abnehmen?«
»Ich muss erst mal mit Trautmann reden, danach vielleicht. Ich geh jetzt rein, mach’s aber kurz.«
»Was ist mit weiteren Kräften?«
»Noch nicht, es kommt drauf an, welche Infos ich von Trautmann erhalte.«
Montag, 3.40 Uhr
M ax Trautmann hatte tiefe Sorgenringe unter den Augen, sein Sohn Thomas machte einen sehr nervösen Eindruck. Trautmann schilderte noch einmal das, was er bereits zu Protokoll gegeben hatte.
Brandt sah ihn aufmerksam an. »Herr Trautmann, ich benötige jetzt ein paar Informationen von Ihnen. Sind Sie bereit?«
»Ja, natürlich.«
»Wann genau haben Ihre Frau und Ihre Tochter das Haus verlassen?«
»Etwa um Viertel vor sieben, aber das habe ich doch alles schon zu Protokoll gegeben.«
»Ich will es aber noch einmal hören. Und sie wollten gegen 23.15 Uhr wieder zu Hause sein?«
»Ja.«
»Nun, ein Konzert kann auch mal länger dauern, es hätte also durchaus auch halb oder Viertel vor zwölf werden können. So etwas wie heute ist noch nie vorgekommen?«
»Nein, noch nie.«
»Schildern Sie mir bitte den genauen Tagesablauf des gestrigen Tages. Was haben Sie gemacht, wo sind Sie gewesen, ich brauche alle Angaben so detailliert wie möglich.«
»Meine Familie und ich waren morgens in der Kirche wie jeden Sonntag, gleich nach dem Ende des Gottesdienstes sind wir gegangen, weil wir einen Tisch in einem ungarischen Restaurant reserviert hatten. Danach verbrachten wir einen ganz normalen Sonntagnachmittag, Erika, meine Frau, und Juliane haben sich für den Abend fertig gemacht …«
»Wenn ich Sie unterbrechen darf, aber wie sieht bei Ihnen ein ganz normaler Sonntagnachmittag aus?«
»Ruhig und besinnlich. Herr Neuendorf ist sonntags häufig bei uns und …«
»Stopp. Herr Neuendorf – helfen Sie mir auf die Sprünge, ich habe nicht alle Namen im Kopf, aber ich meine, ihn im Zusammenhang mit der Gemeinde gehört zu haben.«
»Das ist richtig. Johannes, Herr Neuendorf, ist unser Chorleiter. Er ist eigentlich nicht zu übersehen, weil er immer eine dunkle Brille aufhat.«
»Okay, ich erinnere mich an ihn, ich war gestern beim Gottesdienst dabei. Warum trägt er diese Brille?«
»Er leidet an einer starken Lichtempfindlichkeit. Er ist wie ein Teil unserer Familie, obwohl wir nicht mit ihm verwandt sind. Aber …«
Brandt hob die Hand, denn er spürte, dass er vor dem entscheidenden Durchbruch stand. Dennoch versuchte er, sich seine innere Erregung nicht anmerken zu lassen.
»Erzählen Sie mir etwas über Herrn Neuendorf. Wie lange kennen Sie sich schon, wie alt ist er, was macht er beruflich, was sind seine Hobbys und so weiter.«
»Warum interessiert Sie das? Glauben Sie etwa …«
»Ich glaube überhaupt nichts, ich möchte nur sichergehen, dass wir auch alles getan haben, um Ihre Frau und Ihre Tochter lebendig zu finden. Beantworten Sie bitte meine Frage, auch wenn Sie sie für absurd oder abwegig
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