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Teufelsleib

Titel: Teufelsleib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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Kunden Wert legten, auch wenn sie nicht wenige dadurch überragte, denn Yvonne war schon ohne Highheels eins sechsundsiebzig groß. Über eine weiße, leicht ausgeschnittene Bluse zog sie ein exklusives, maßgeschneidertes hellgraues Kostüm. Zuletzt legte sie
Amouage Gold Ladies
auf, ein sündiges, sinnliches Parfum, das die Männer noch heißer und schärfer machte, das ihre Sinne betörte und in eine bestimmte Richtung lenkte. Ein Parfum, für das allein viele bereit waren, ihre Brieftasche noch ein wenig weiter zu öffnen, denn Amouage war Luxus pur, und nichts anderes erwarteten die Männer, die ihre Zeit mit ihr verbrachten. Sie erwarteten bei ihr den Luxus, den sie gewohnt waren. Männer, die alles hatten, die sich alles leisten konnten und die für Yvonne nur in die Portokasse greifen mussten.
    Sie überprüfte noch einmal den Sitz der Platinkette mit dem Saphiranhänger, die ihr treuester Kunde ihr Anfang Oktober zusammen mit dem dazugehörigen Ring geschenkt hatte, als sie wieder einmal für vier Tage seine Begleiterin in Boston und Maine gewesen war.
    Ein letzter Blick auf die Finger, speziell die Nägel, sie strich den knapp über dem Knie endenden Rock gerade, lächelte ihrem Ebenbild im Spiegel zu, zog sich den warmen Mantel über, nahm ihre Tasche und ging in die Tiefgarage zu ihrem Wagen, einem Mercedes SL 500, den sie sich erst im November zugelegt hatte, ohne dafür auch nur einen Cent hinlegen zu müssen.
Er
hatte ihn ihr geschenkt und gemeint, eine Frau wie sie brauche ein Auto, das zu ihr passe. Sie hatte nicht lange überlegt, sie wollte ihn nicht enttäuschen und war ihm um den Hals gefallen, als das Auto vor ihrer Tür stand.
    Sie brauchte im Feierabendverkehr eine knappe halbe Stunde bis zum Hotel, dann stellte sie den Wagen auf dem Parkplatz ab. Ein mittelgroßer Mann, den sie auf Ende zwanzig, maximal Mitte dreißig schätzte, kam anerkennend lächelnd auf sie zu, als er den roten Mercedes erblickte. Er trug einen dunkelblauen Anzug und darüber einen offen stehenden Mantel, alles war maßgeschneidert, vom Hemd bis zu den Schuhen, sie hatte ein Auge dafür. Und er gefiel ihr auf Anhieb. Er hatte ein charmantes, verbindliches Lächeln, dem etwas Jungenhaftes beigemischt war. Obwohl er laut eigenen Angaben ein erfolgreicher Unternehmer in der Computerbranche war, fand sie in seinem Gesicht nicht jene Härte und Kälte, die viele ihrer Kunden an den Tag legten, die erfolgreich im Beruf waren und dabei nicht selten sinnbildlich (oder auch real, bei einigen konnte sie es sich durchaus vorstellen) über Leichen gingen. In Gegenwart von Yvonne legten sie in der Regel die Härte ab, und hervor kam meist der Mensch mit all seinen Fehlern und Schwächen, Träumen und Sehnsüchten, und nicht selten geschah es, dass sie zu weinen begannen und berichteten, wie unglücklich sie mit ihrem Leben seien. Oft erzählten sie ihr Dinge, die sie nicht einmal einem Therapeuten oder Priester anvertrauen würden. Manch einer war in kriminelle Geschäfte verwickelt, ein anderer litt unter körperlichen oder seelischen Gebrechen, was sie jedoch im normalen Leben nicht zu zeigen wagten – und eines war fast allen gemein: Sie waren unzufrieden. Das dickste Bankkonto war praktisch wertlos, wenn es in der Ehe oder der Beziehung nicht stimmte. Oder Jugendträume niemals erfüllt wurden, weil der Vater oder die Mutter etwas anderes mit dem Sohn vorgehabt hatte. Viele trugen Wut, oft sogar Hass auf sich und andere mit sich herum. Doch sobald sie mit Yvonne zusammen waren, lösten sich diese negativen Gefühle in Wohlgefallen auf – als ginge Magisches von ihr aus, das die düsteren Wolken wenigstens für ein paar Stunden vertrieb.
    »Hallo«, begrüßte er sie mit warmer Stimme und reichte ihr die Hand, ohne sie zu fest zu drücken. Er errötete leicht, als er sagte: »Bitte, verstehen Sie mich nicht falsch, aber Sie sehen noch bezaubernder aus als auf dem Foto. Sie haben die schönsten blauen Augen, die ich je gesehen habe. Ein wunderbarer Kontrast zu Ihren braunen Haaren. Ich freue mich auf den vor uns liegenden Abend. Lassen Sie uns gehen. Oder wollen wir erst noch einen Drink an der Hotelbar nehmen?«
    »Lassen wir doch dieses förmliche Sie. Ich bin Yvonne«, sagte sie mit offenem Lächeln.
    »Natürlich, daran erkennen Sie, Entschuldigung, erkennst
du
, dass ich bisher noch keine Erfahrung mit so etwas hatte. Ich heiße Mark, aber das weißt du ja längst.«
    »Kein Problem, es fällt vielen schwer, einen Fremden

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