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Teufelsleib

Titel: Teufelsleib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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war, was war sein Motiv? Hass, Rache, Abscheu, Ekel? Handelte er aus einem Trieb heraus, den zu steuern er nicht mehr imstande war? Oder litt er unter Minderwertigkeitskomplexen, die er durch das Töten zu kompensieren versuchte? Oder hatte er wie so viele Serientäter gegen ihn gerichtete Gewalt – möglicherweise Missbrauch – erfahren, wodurch ein Schalter in ihm umgelegt worden war, der ihn zur Tötungsmaschine hatte werden lassen? War er jemals zuvor auffällig geworden? Oder gar straffällig? Letzteres glaubte Brandt nicht, denn diese Täter lebten in der Regel ein in der Gesellschaft unauffälliges Leben.
    Sie hatten sämtliche zum Zeitpunkt der Morde auf freiem Fuß befindliche Sexualstraftäter und Triebtäter vernommen, vom Spanner über den Exhibitionisten bis zum Vergewaltiger, sogar ein Mörder befand sich darunter, der nach siebzehn Jahren Haft aufgrund eines positiven Gutachtens in die Freiheit entlassen worden war. Das Ergebnis der Befragungen war gleich null.
    Kam der Täter überhaupt aus Offenbach? Oder hatte er sich Offenbach nur als Jagdrevier ausgesucht? Auch diese Möglichkeit wurde in Betracht gezogen. Und wenn er in Offenbach lebte, wie lebte er? Hatte er Familie, vielleicht sogar Kinder? Wie war seine Beziehung zu den Nachbarn und Arbeitskollegen? Was waren seine Hobbys? War er introvertiert oder extrovertiert? Warum hatte er bei der Schubert diese unvorstellbare Grausamkeit an den Tag gelegt? Es gab unzählige Warums und keine Antworten. Nicht eine einzige. Ein für alle Beteiligten unerträglicher Zustand.
    Sie traten auf der Stelle, weitere Monate vergingen, und ein ungewöhnlich langer und kalter Winter setzte bereits Ende Oktober ein. Im November fiel der erste Schnee, und zum Jahreswechsel lag ganz Deutschland unter einer dicken Schneedecke begraben. Und es war nicht die wetterbedingte Kälte, die der Polizei zu schaffen machte, sondern auch noch eine andere, viel schlimmere Kälte, die unsichtbar durch die Stadt zog.
     
    Aber noch stand auf dem Kalender der 4. Januar 2010, Peter Brandt hatte seinen ersten Arbeitstag nach dem Urlaub hinter sich gebracht. Er hatte ein paar Akten abgearbeitet. Dabei waren ihm immer wieder die Bilder der beiden ermordeten Frauen vom vergangenen Jahr vor Augen getreten. Bilder, die er nie vergessen würde. Bevor er am Abend nach Hause fuhr, schlug er noch einmal die Akten auf, sah die Fotos der Toten und fragte sich wie so oft nach scheinbar sinnlosen, unmotivierten Tötungsdelikten, warum ein Mensch so etwas tat, wie es kam, dass jemand zu einer solchen Tat fähig war. Wurde er dazu gemacht oder wurde er so geboren? Was hatte ihn geprägt, dass der Tod eines anderen ihn nicht mehr berührte, sondern anstachelte, noch weitere Menschen zu töten? Unschuldige Menschen. Er wusste, er würde die Antwort darauf niemals finden, denn es gab keine Antwort darauf.
    Es war fast halb sieben, als er das Licht in seinem Büro löschte und die Tür hinter sich schloss. Er wollte zu Elvira, da Sarah und Michelle noch bei ihrer Mutter waren und er die leere Wohnung als nicht sonderlich anziehend fand. Sie würden essen gehen und den Tag gemütlich ausklingen lassen. Er liebte sein Leben, doch seinen Beruf hasste er manchmal.

Donnerstag, 14. Januar 2010, 16.30 Uhr
    Y vonne saß vor dem Ankleide- und Schminkspiegel und machte sich in aller Ruhe zurecht, während im Hintergrund Musik spielte. Wie jeden Tag. Außer am Samstag und am Sonntag. Zwei Tage, die sie nur opferte, wenn sie für ein ganzes Wochenende gebucht wurde, was etwa alle vier bis sechs Wochen vorkam, auch wenn die Anfragen sich häuften. Doch nur einer genoss das Privileg, sie auch für das Wochenende buchen zu dürfen.
    Sie war in ihrem Penthouse mit drei luxuriös ausgestatteten Zimmern, einem Marmorbad und einer Designerküche und vielen weiteren Annehmlichkeiten, an die zu denken sie vor zweieinhalb Jahren noch nicht einmal im Traum gewagt hätte. Allein einem Kunden war es vorbehalten, sie hier zu besuchen. Einem sehr großzügigen Kunden, der Wert auf besonderen Service legte und bereit war, dafür die Brieftasche weit zu öffnen. Einem Kunden, den sie sehr gut kannte und auf dessen Diskretion und Loyalität sie sich zu hundert Prozent verlassen konnte, wozu gehörte, dass er niemandem Yvonnes Adresse mitteilte. Yvonne, und das hatte sie ihm unmissverständlich klargemacht, wusste viel zu viel über ihn, sie hatte heimlich Gespräche mitgeschnitten und Fotos gemacht und sie bei ihrem Anwalt

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