Teufelsmauer
mit deutlichem Stolz. »Sechzig Ster in der Stunde, kein Problem.« Er musterte die beiden Besucher, und es war ihm anzusehen, dass er sich keinen Reim auf diese sonderbaren Gäste machen konnte.
»Und was führt euch hierher?«, fragte er schlieÃlich. »Seidâs ihr Holzhändler?«
»Wir müssen mit Herrn Bauernfeind sprechen«, sagte Hecht. »Das ist er doch, mit der groÃen Maschine.« Er deutete in Richtung Harvester.
»Freilich. Der Werner kann damit umgehen wie kaum ein anderer. Dabei ist er erst zwei Jahre bei unserer Firma. Der hat die Holzarbeit im Blut.«
Er winkte mit beiden Armen zum Harvester hinüber, der von der Gasse aus weit nach links und rechts in den dichten, noch jungen Fichtenwald ausgreifen konnte. Die Fichtenzweige warf er dabei immer genau vor die Raupenketten, als Polster, das den empfindlichen Waldboden und das Wurzelwerk der stehen gebliebenen Bäume schützen sollte. Es dauerte fast eine Minute, bis der hochkonzentriert arbeitende Mann das Winken seines Kollegen bemerkte. Dann aber schaltete er die Scheinwerfer seiner Maschine und den Motor aus und stieg aus dem Führerhaus.
Auch ohne Helm mit Kuhhörnern, Schaffell und Speer erkannte Morgenstern den Mann vom Kipfenberger Toilettenwagen wieder: Er wirkte selbst in seiner grün-orangen Waldarbeiterkleidung wie ein würdiger Nachfahre wilder Nordmänner. Ein rotwangiger Hüne, dem der Bluthochdruck in die Wiege gelegt worden war, mit breiten Schultern und kurzem, massigem Hals. Die blonden Haare waren stoppelkurz geschnitten. Dabei war er nicht vierschrötig: Die Art, wie er sich über die Reisigberge der Waldschneise seinen Weg bahnte, hatte etwas Leichtes, Elegantes, Selbstverständliches. Doch sein Blick war ernst und entschlossen. Wenn die römischen Legionäre einst Angst vor den Germanen gehabt hatten, dann musste das an Männern wie Bauernfeind gelegen haben, dachte Morgenstern.
»Herr Bauernfeind, wir sind von der Kriminalpolizei in Ingolstadt«, sagte er und streckte die Hand aus.
Bauernfeind drückte sie mit der Kraft eines Hufschmieds. Seine Hände waren schwielig.
»Sie kommen wegen der Barbie«, sagte er, nicht als Frage, sondern als Feststellung, und deutete zu seinem Kollegen. »Helmut, wir machen Pause. Lass uns eine Viertelstunde allein.«
Der Kollege schaute erstaunt, trollte sich dann aber zur geschotterten ForststraÃe und setzte sich ein Stück abseits auf einen der Baumstämme. Hecht, Morgenstern und Bauernfeind blieben im Wald zurück, umgeben von Fichtenzweigen, eingehüllt in eine Duftwolke, die so intensiv nach Wald roch, wie es sonst allenfalls Erfrischungssprays in öffentlichen Toiletten zustande brachten. Jetzt, wo die Motoren schwiegen, war das Gezwitscher von Vögeln zu hören.
»Seit wann interessiert sich die Kriminalpolizei für so eine Rauferei zwischen ein paar Frauen?«, fragte Bauernfeind.
»Sie wissen also noch nicht, was mit Frau Breitenhiller geschehen ist?«, fragte Morgenstern zurück.
»Was soll ich wissen?« Bauernfeind schaute ihn irritiert an. »Ich denke, Sie kommen wegen dieser Streiterei auf dem Festplatz?«
»Nein. Wie gesagt, wir sind von der Kriminalpolizei.« Morgenstern stellte sich und Hecht vor. »Sie sind also der Freund von Barbara Breitenhiller?«
Bauernfeind nickte mit einer Mischung aus Stolz und zunehmend wachsender Sorge.
»Frau Breitenhiller ist heute früh tot im Pfahldorfer Weiher gefunden worden.«
Werner Bauernfeind sah Morgenstern fassungslos an. »Im Weiher? Ist sie ertrunken?«, fragte er.
»Sieht so aus«, sagte Morgenstern vorsichtig. »Irgendwann in der Nacht oder gegen Morgen. Das wird erst die Obduktion zeigen.«
Es entstand eine lange Pause. Die Kommissare warteten auf eine Reaktion von Bauernfeind. Auf Nachfragen. Auf Tränen. Doch da kam nichts. Nur die Vögel zwitscherten, als ginge sie das alles nichts an.
»Sie sind anscheinend kein Mann, der seine Gefühle öffentlich zeigt«, stellte Morgenstern fest.
»Nein«, sagte Bauernfeind. »Wenn Sie glauben, dass ich jetzt zu weinen anfange, sind Sie schief gewickelt. Ich weine nie. Prinzipiell nicht.«
»Aha«, sagte Morgenstern und fragte nach einer erneuten Pause: »Wann haben Sie Ihre Freundin zum letzten Mal gesehen?«
»Gestern Abend um neun.«
Morgenstern schaute überrascht auf, Hecht schrieb wie immer
Weitere Kostenlose Bücher