Teufelsmauer
kein Horrorfilmer auf diese Maschine gestoÃen ist. Ein durchgeknallter Harvesterfahrer, der seine Opfer durch finstere Wälder verfolgt. Das wäre doch was.«
Morgenstern und Hecht hatten erwartet, im Ingolstädter Polizeipräsidium ihrem Vorgesetzten Adam Schneidt Bericht erstatten zu müssen. Hecht hatte auf der Rückfahrt eigens seine stenografischen Mitschriften sortiert und die wichtigsten Informationen in Reinschrift übertragen. Doch als sie voll Arbeitseifer an Schneidts Bürotür anklopften, stellten sie fest, dass abgesperrt war.
»Wo ist er denn hin«, fragte Morgenstern.
»Vielleicht in die Cafeteria?«, mutmaÃte Hecht.
Die Antwort kam aus der geöffneten Tür des gegenüberliegenden Büros, in dem Schneidts Sekretärin gerade einen Obstsalat löffelte.
»Der Herr Schneidt ist heute schon in Feierabend gegangen. Weil das Wetter so schön ist, wollte er noch zum Baden gehen. An den Auwaldsee.«
»Zum Baden«, wiederholte Morgenstern verdutzt.
»Aber natürlich. Er hat im Hochsommer immer eine Badehose und ein Handtuch im Garderobenschrank. Für den Fall der Fälle.«
Der Tag endete mit einer unerwartet heftigen Auseinandersetzung des Ehepaars Morgenstern. Die Lunte zum Pulverfass entzündete sich an Morgensterns beiläufiger Frage, was er denn in den nächsten Tagen wohl essen solle. Der Kühlschrank sei nämlich so gut wie leer, wie er mit unüberhörbar tadelnder Stimme anmerkte. Fiona war daraufhin explodiert, hatte ihren Gatten als unselbstständige Sofakartoffel und pantoffeltragenden Pascha beschimpft und hinzugefügt, wenn der Herr nicht in der Lage sei, ein paar Tage für sich zu sorgen, dann müsse er halt am Hungertuch nagen. Das, so ihre letzte Bemerkung, bevor die Schlafzimmertür zuknallte, hätte dann den angenehmen Nebeneffekt, dass der Herr des Hauses sich wieder jener Figur annähere, für die sie ihn einstmals so bewundert habe.
»Ich habe doch gar keine Pantoffel«, hatte Morgenstern noch gebrummelt. Und dann verbrachte er die Nacht vor ihrer mehrtägigen Trennung nicht, wie er sich das ausgemalt hatte, in romantischer Zweisamkeit, sondern geplagt von schlechtem Gewissen mit einer dünnen Wolldecke auf dem Wohnzimmersofa.
DIENSTAG
Beim Abschied am Morgen war Fiona noch immer verschnupft und kurz angebunden. Ein knapper, routinierter Kuss war alles, bevor sie Morgenstern zur Tür hinausschob. »Denk mal über unsere Beziehung nach«, gab sie ihm als Hausaufgabe auf.
Als Morgenstern ins Büro kam, war Hecht schon da â wie so oft war er früher zum Dienst gekommen und hatte sich eine Tasse Kamillentee aufgebrüht. Auf die vielfältigen gesundheitlichen Vorzüge der Kamille war er erst neulich gestoÃen, und wie alle frisch Bekehrten versuchte er mit missionarischem Eifer, auch andere von den Qualitäten der Neuentdeckung zu überzeugen. Morgenstern hatte sich bislang erst ein einziges Mal eine Tasse aufschwatzen lassen â mit heilsamer Wirkung für zumindest ein Geschöpf: den armen Ficus Benjamina, dessen jämmerliches Leben durch die unauffällige Entsorgung um einige Wochen verlängert worden war.
»Schau mal, was ich da habe«, sagte Hecht, als er Morgenstern sah.
Morgenstern verzog das Gesicht. »Deinen scheuÃlichen Tee. Der ganze Flur riecht schon nach medizinischem FuÃbad.«
Hecht steckte die Beleidigung kommentarlos weg und deutete auf seinen Computer. »Die ersten Ergebnisse der Rechtsmedizin liegen vor. Die haben in München gestern noch bis in den Abend hinein gearbeitet.«
»Ich dachte, die sitzen zu der Jahreszeit alle im Biergarten.« Wie viele Franken oder Nordbayern hegte und pflegte der Nürnberger Morgenstern gewisse Vorurteile gegenüber den Bewohnern der übermächtig scheinenden Landeshauptstadt.
»Hör auf zu granteln, das ist das Privileg der Altbayern«, konterte Hecht und schob einen Stuhl vor den Bildschirm. »Sie haben die Limeskönigin gründlich untersucht.«
»Und?«, fragte Morgenstern ungeduldig, nachdem er sich gesetzt hatte. »Sag schon.«
Hecht lehnte sich zurück, nahm einen Schluck Tee und stellte die Tasse dann behutsam auf den Schreibtisch. »Barbara Breitenhiller war schon tot, als sie im Weiher versenkt wurde. Die Schramme im Gesicht stammt möglicherweise von der Auseinandersetzung beim Limesfest. Aber das Wesentliche
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