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Teufelsmauer

Teufelsmauer

Titel: Teufelsmauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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Weißkohl werde nämlich gleich nach der Ernte sorgfältig in Streifen gehobelt, gesalzen und in Fässer und Konservendosen abgefüllt, um anschließend durch Milchsäuregärung zu zart schmeckendem Sauerkraut »verzaubert« zu werden. »Unglaublich gesund durch einen besonders hohen Anteil an Vitamin C«, schwärmte die Krautkönigin zum Abschluss ihrer Mini-Werbeunterbrechung.
    Morgenstern, wiewohl als gebürtiger Nürnberger ein großer Freund von immer wieder aufgewärmtem Sauerkraut und kurzen, dünnen Bratwürsten, blieb unbeeindruckt. »Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass Sie drei sich bloß wegen der Reihenfolge am Klo die Augen ausgekratzt haben. Das nehme ich Ihnen nicht ab.«
    Julia Haberlein auf der andern Seite der Leitung schluckte schwer. »Ich hab nicht alles ganz genau verstanden, was die zwei sich an den Kopf geworfen haben. Es war aber klar, dass sie sich schon länger kennen. Die haben da auf der Treppe einen richtigen Zoff angefangen. Es ging um irgendeinen Macker. Ich selber hab da nicht mitreden können.«
    Â»Aber mitraufen schon?«, fragte Morgenstern, was allerdings eher wie eine missbilligende Feststellung klang.
    Die Krautkönigin schwieg.
    Morgenstern stellte seine letzte Frage: »Kennen Sie den Namen dieses Mannes, um den es bei dem Streit ging?«
    Â»Ich kann mich nicht mehr erinnern.«
    Â»Werner?«, hakte Morgenstern nach. »Werner Bauernfeind vielleicht?«
    Julia Haberlein verneinte. »Sagt mir nichts, der Name.«
    Morgenstern legte die Hand auf die Telefonmuschel. »Spargel, wie hieß der Typ noch mal, den uns der Bauernfeind genannt hat. Der mit dem sonderbaren Vornamen. Gunther oder so? Gulliver? Gustav?«
    Hecht blätterte kurz in seinem Notizbuch und deutete auf seine Mitschrift. Gestochen scharf prangte dort der Name, umgeben von für Morgenstern unlesbaren Stenografiekürzeln.
    Â»Heißt er vielleicht … Gundekar?«, fragte Morgenstern ins Telefon und kam sich dabei vor wie die Königin bei »Rumpelstilzchen«, die sich durchs Vornamenverzeichnis fragt.
    Â»Gundekar!«, rief die Krautkönigin. »Genau das war der Name. Gundekar. Hatte ich ehrlich gesagt vorher noch nie gehört.«
    Â»Wir auch nicht«, sagte Morgenstern. »Aber ich habe das Gefühl, den wird man sich merken müssen. Doch zuerst kümmern wir uns um Ihre königliche Kollegin vom Kartoffelimperium.«
    Â»Heißt das, Sie sind mit mir fertig?«, fragte die Krautkönigin mit ängstlicher Erleichterung.
    Â»Fürs Erste schon. Aber ich gehe davon aus, dass Sie uns jederzeit nochmals eine Audienz gewähren, königliche Hoheit.«
    Â»Jederzeit«, sagte Julia Haberlein. Dann legte sie auf. Morgenstern hatte das dumpfe Gefühl, er hätte im allerletzten Moment, bevor die Leitung unterbrochen wurde, noch ein gemurmeltes »Witzbold« gehört.
    Â»Die Kartoffelkönigin also«, sagte Hecht. »Willkommen im Donaumoos.«
    Â»Wie bitte?«, fragte Morgenstern und provozierte damit einen Kurzvortrag, der dem der Krautkönigin durchaus ähnlich war. Laut Hecht kamen zehn Prozent aller in Bayern produzierten Kartoffeln aus dem Donaumoos: einem schmalen Streifen Land zwischen Neuburg, Ingolstadt und Schrobenhausen. Und deswegen küre man dort auch regelmäßig eine Kartoffelkönigin. Die Wahl mochte vielleicht nicht direkt in glamouröse People-Magazine wie »Bunte« oder »Gala« führen, doch für die »Schrobenhausener Zeitung« war die Zeremonie jedes Jahr eine große Nummer. Und im Donaumoos und der ganzen Region Ingolstadt war der Titel populär.
    Morgenstern war beeindruckt. Peter Hecht hatte über die Region im Laufe seiner Dienstjahre ein fast enzyklopädisches Wissen angehäuft.
    Â»Ach, übrigens: Was war das eigentlich vorhin mit diesem Wormser Dom?«, fragte Morgenstern jetzt.
    Hecht grinste breit. »Hab ich mir gleich gedacht, dass das für dich böhmische Dörfer sind. Das ist aus dem Nibelungenlied. Da streiten sich die beiden vornehmen Damen, wer der anderen auf dem Weg in die Kirche den Vortritt lassen muss. Und am Ende sind alle, alle tot.«
    Â»Ich weiß schon, warum ich nicht in die Kirche gehe«, sagte Morgenstern.
    Die aktuell amtierende Kartoffelkönigin kam aus Neuburg an der Donau. Genauer gesagt aus dem weit im Osten gelegenen Stadtteil Neu-Zell am Rande des

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