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Teufelsmauer

Teufelsmauer

Titel: Teufelsmauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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süßlich-bittere Duft von kaltem Zigarrenrauch.
    Â»Ja, das Augustus-Park-Projekt ist derzeit in der heißen Phase«, erklärte Oswald von der Tann, nachdem die Kommissare auf dem Sofa Platz genommen hatten. »Ich beschäftige mich mit kaum etwas anderem.«
    Â»Wir auch, wir auch«, sagte Morgenstern knapp und musterte von der Tann. Der Baron war groß gewachsen, bestimmt über einen Meter neunzig, hager und hatte markante, scharfe Gesichtszüge sowie glatte, zum Seitenscheitel gekämmte dunkelbraune Haare. Er trug ein Tweedsakko mit hellbraunen ledernen Ärmelschonern, ein gestreiftes Hemd mit auffälligen goldenen Manschettenknöpfen und anstelle einer Krawatte ein gelbes Seidentuch, das sorgfältig in den Hemdkragen eingesteckt war. Die braunen Schuhe waren, soweit sich Morgenstern da auskannte, nicht bei Deichmann gekauft, sondern von einem ergrauten oberbayerischen Schuster handgenäht worden, der eben erst im Bayerischen Fernsehen im Rahmen der Serie »Der Letzte seiner Zunft« porträtiert sein mochte und ausschließlich Leder von glücklichen japanischen Rindern verwendete.
    Das Alter des Barons schätzte Morgenstern auf sechzig plus/minus fünf. Bei solchen Menschen konnte man sich leicht vertun. Sie wirkten oft schon als Jugendliche sonderbar erwachsen und altmodisch, umgekehrt behielten sie im Alter Haltung. Oder saß er da schon wieder einem Klischee auf, das die Yellow Press gerne über die deutsche Aristokratie in Umlauf brachte? Von der Tann jedenfalls wirkte auf ihn wie jemand, der dieses Klischee bewusst als Kapital nutzte, als Beweis von Seriosität, Tradition und erlesenen Manieren. Kurzum: Er war das diametrale Gegenteil von Mike Morgenstern – der allerdings keinerlei Absicht hatte, sich von Optik und Gehabe des »Finanzoptimierers« einschüchtern zu lassen.
    Â»Dieses Mal soll es also klappen mit dem Römerpark?«, fragte er jetzt. »Wir haben gelesen, dass Ihre beiden Vorgänger gescheitert sind.«
    Der Baron schnitt sich mit einem kleinen, guillotineartigen Zwickgerät eine Zigarre zu. »Es ist richtig, dass es vergleichbare Konzepte gab, die sich in der konkreten Umsetzung als schwierig erwiesen haben. Aber dieses Mal ist es anders.«
    Â»Wie viel Geld müssen Sie denn einsammeln?« Morgenstern studierte das Wappen des Barons, das hinter dem Schreibtisch in einem Glasrahmen an der Wand hing und, kaum erstaunlich, neben allerlei golden rankendem Zierrat einen Tannenbaum zeigte.
    Â»Alles in allem oder nur in der Region? Wissen Sie, wir möchten gern Geldgeber aus der Region mit einbinden. Sie kennen das vielleicht von Windkraftanlagen. So etwas stärkt die Akzeptanz in der Bevölkerung.«
    Â»Alles in allem«, sagte Morgenstern.
    Der Baron steckte sich die Zigarre in den Mund und zündete sie umständlich mit einem extralangen Streichholz an. »Nun gut: Insgesamt, aber das haben Sie bestimmt schon unseren einschlägigen Veröffentlichungen entnommen, benötigen wir siebzig Millionen Euro.«
    Â»Und wie viel davon soll lokal sein?«
    Â»Da kalkulieren wir zwanzig Millionen ein. Das dürfte in einer florierenden Region wie der unseren eigentlich zu machen sein.« Er lächelte. »Sie haben hier die niedrigste Arbeitslosigkeit in ganz Europa, Sie haben gut bezahlte Arbeitsplätze, und Sie haben ein konservatives, sparsames Publikum. Fast schwäbisch, würde ich sagen.« Wieder versuchte sich der Baron an einem gewinnenden Lächeln. »Die Menschen hier sitzen auf ihrem Geld. Die Herren Kommissare können sich kaum vorstellen, zu welch kläglichen konservativen Konditionen viele hier ihre Ersparnisse anlegen. Bei den Sparkassen, bei den Raiffeisenbanken.«
    Â»Und da bieten Sie nun eine glänzende Alternative. Eine Finanzoptimierung?« Morgenstern sah den lächelnden Geldprofi mit den guten Manieren an und erinnerte sich an eine Szene, die ihm bei einem seiner ersten Auslandsurlaube zusammen mit einem Freund widerfahren war. Irgendwo im damals noch real existierenden Jugoslawien war er an einem Rastplatz neben einer Schnellstraße an zwei Hütchenspieler geraten. Den beiden Profizockern war es binnen kürzester Zeit gelungen, den deutschen Jungtouristen pro Nase fünfzig D-Mark abzuluchsen. Bis heute war Morgenstern nicht ganz klar, wie das damals vonstatten gegangen war.
    Â»Eine Finanzoptimierung«, wiederholte der Baron.

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