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Teufelsmauer

Teufelsmauer

Titel: Teufelsmauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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Vergangenheit schon mindestens zweimal versucht, sich etwas anzutun.«
    Hecht blickt überrascht von seinem Block auf, und auch Morgenstern war erstaunt. »Nein, das wussten wir bisher noch nicht«, sagte er. »Sie meinen, sie hat versucht, sich das Leben zu nehmen?«
    Russer rieb sich die schweißnass gewordenen Hände. »Wie man’s nimmt. Ich weiß auch nicht alles. Aber soweit ich weiß, hat sie sich schon als junges Mädchen immer wieder die Unterarme geritzt. Und später war dann was mit Schlaftabletten.«
    Â»Eine Überdosis?«, fragte Hecht.
    Â»Ja, ungefähr mit sechzehn. Ihre Mutter hat das damals noch rechtzeitig bemerkt und den Notarzt geholt. Das stand seinerzeit Spitz auf Knopf. Sie müssen sich mal vorstellen, wie lange das dauert, bis man von Hirnstetten im Eichstätter Krankenhaus ist.«
    Â»Sie sprachen von zwei Fällen«, sagte Morgenstern sanft.
    Â»Ja, etwa ein Jahr später hat sie sich die Pulsadern aufgeschnitten. Die Narben hat man immer noch sehen können. Sie waren nicht besonders auffällig, ich glaube auch nicht, dass das ein ernsthafter Selbstmordversuch war.«
    Â»Sondern?«, fragte Hecht.
    Â»Ich denke, das war eher so eine Art Hilferuf. Sie ist damals auch schnell gefunden worden. Daheim in der Badewanne, von ihrer kleinen Schwester.«
    Wieder hallte über ihnen der spitze Schrei des Mäusebussards. Von der Ferne näherte sich – aus Germanien – ein Traktor mit einem riesigen Pflug.
    Â»Und so etwas nennt man dann ländliches Idyll«, sagte Morgenstern gedankenversunken. »Frau Breitenhiller war also psychisch nicht besonders stabil.«
    Russer nickte und wischte sich mit dem Ärmel seiner braunen Tunika über die Stirn. »Mit ihr war’s mal so und mal so. Himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt. Das hat manchmal innerhalb von Minuten gewechselt. Und sie hatte Alpträume.«
    Â»Hat die nicht jeder?«, sagte Morgenstern.
    Â»Kann sein«, gab Russer zurück. »Aber sie ist in der Nacht schreiend aufgewacht und musste erst mühsam wieder beruhigt werden.« Er schaute Morgenstern in die Augen. »Ich hoffe für Sie, dass Ihre Träume weniger schrecklich sind. Sie dürfen mir glauben: Es war nicht immer leicht mit ihr. Aber sie war eine echte Schönheit. Alle Männer waren hinter ihr her, wie, wie … wie der Teufel hinter der armen Seele.« Russer hielt inne, weil ihm wohl bewusst wurde, wie unpassend der Vergleich klingen musste. Wie zur Bestätigung gab es aus nördlicher – also germanischer – Richtung eine dumpfe Detonation, die in mehrfachen Echos widerhallte.
    Hecht und Morgenstern sahen sich überrascht an. »Was war das?«, fragte Hecht. Zeternd stieg aus der Limeshecke ein Eichelhäher mit blau glänzenden Flügeln auf, um sich durch lautes Keckern über die Störung seiner Mittagsruhe zu beschweren.
    Â»Das war da drüben im Steinbruch.« Russer deutete nach Norden, wo in etwa fünfhundert Metern Entfernung eine riesige quadratische Wunde in der Landschaft klaffte. »Vereinigte Marmorwerke Kaldorf. Die bauen Juramarmor ab und verkaufen ihn in die ganze Welt. Hochhäuser in Kuwait oder Amerika, der Berliner Flughafen, überall ist Juramarmor verbaut. Die Römer haben den übrigens auch gerne verwendet. Hier in der Gegend gibt es noch viele römische Grabsteine aus Juramarmor. Die haben sie früher zum Teil in die Kirchen eingemauert, deswegen haben sie die Jahrhunderte sicher überstanden.«
    Â»Interessant«, sagte Morgenstern. »Bei Ihnen kann man was lernen. Um aber auf Frau Breitenhiller zurückzukommen: Warum hat sie sich von Ihnen getrennt?«
    Russer blickte zu dem Traktor mit Pflug, der in einiger Entfernung begonnen hatte, ein Stoppelfeld umzubrechen. Fett glänzten die Erdschollen in der Sonne. Er versuchte sich vergeblich an einem Lächeln. »Sie hat sich von mir getrennt, so wie sie sich schon von vielen getrennt hat. Aber ich habe sie geliebt. Mit all ihren Macken. Obwohl sie immer wieder mal mit anderen Männern zusammen war. Ich habe ihr das nachgesehen. So war sie eben.«
    Â»Aber sie hat irgendwann das Interesse an Ihnen verloren«, sagte Hecht vorsichtig.
    Â»Ich wollte ihr helfen.« Noch immer blickte Russer auf den pflügenden Bauern. »Ich wollte ihr wirklich helfen. Ich wollte die Schatten vertreiben. Aber sie hat sich nicht helfen

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