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Teufelsmond

Teufelsmond

Titel: Teufelsmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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nur sechs. Ich dachte immer, es müssen sieben sein.»
    Sofie sah sich nach Karla um. «Ihr kennt Euch gut aus. Ja, es müssen sieben Bestandteile sein, aber ich hatte keinen Weihrauch mehr.» Ihr Gesicht verzog sich, und sie presste die Lippen fest aufeinander. «Bis zu uns kommt kein Händler. Und mit dem Kind kann ich mich nicht weit von der Mühle entfernen. Woher soll ich Weihrauch bekommen?» Sie seufzte und küsste das Kind auf den Scheitel. «Vielleicht liegt es daran. Vielleicht wäre mit Weihrauch oder Myrrhe alles anders gekommen.»
    Karla schwieg. Sie hatte von der alten Grit so viel über Räucherungen erfahren, dass es ihr ganz unvorstellbar erschien, weder Weihrauch noch Myrrhe oder wenigstens Salbei oder Lorbeer zu verräuchern. Ich werde in Elses Vorratskammer schauen, dachte sie bei sich. Und ich werde Sofie bringen, was sie vermisst, selbst wenn ich den Weihrauch aus der Kirche nehmen muss.

[zur Inhaltsübersicht]
    Achtes Kapitel
    Als Pater Fürchtegott und Karla zurückkehrten, stand Else vor dem Pfarrhaus, in einem Kreis aus Männern und Frauen. Die Straße war noch voller Sturmschäden, nur das Schwein lag nicht mehr da. Else hatte die Arme gemütlich unter dem Busen verschränkt und strahlte eine Wichtigkeit, als wäre sie der Dorfschulze. Ihre Augen glänzten, die Wangen waren gerötet, und die rote Nase zitterte ein wenig vor Erregung.
    «Was ist da los? Warum geht sie nicht ins Haus?», fragte der Pater. Karla zuckte mit den Schultern. «Was soll sie im Haus? Dort wartet nur Arbeit auf sie.»
    Sie kamen näher und konnten jetzt auch Elses Stimme hören: «… und als er weg war, der schwarze Jo, da habe ich sogleich die Fenster aufgerissen. Denkt Euch, was dann geschah!»
    «Was denn?», wollte die dürre Bernadette, die Nachbarin, wissen, die heute Morgen neben dem toten Schwein gestanden hatte.
    «Schwarze Abdrücke!»
    «Schwarze Abdrücke?»
    «So wahr mir Gott helfe! Schwarze Abdrücke am Fensterrahmen. Ganz deutlich. Wie eine Teufelshand sehen sie aus. Nichts und niemand bringt mich zurück in dieses Haus. Meines Lebens kann ich mir ja nicht mehr sicher sein. Es ist ein Gottesglück, dass der Herr uns den Exorzisten geschickt hat. Ja, der Herr im Himmel, der sorgt für die Seinen. Bevor der Pater Fürchtegott nicht Weihwasser verspritzt hat, setze ich keinen Schritt in meine Küche. Ah, da kommt er ja.» Else wühlte in der Tasche ihres Umhanges. «Da, Pater, Ihr müsst rüber in die Kirche und Weihwasser holen.»
    Pater Fürchtegott wollte schon nach dem großen Messingschlüssel greifen, da hielt Karla ihn am Arm zurück. «Wolltest du nicht, dass wir so schnell wie möglich von hier verschwinden? Sagtest du nicht, du kannst niemanden durchfüttern? Und was ist mit deinem Kreuz? Du bist doch kaum in der Lage, den Pfarrer Dippel zu pflegen!» Karla war so verärgert, dass ihr nicht sofort auffiel, dass sie die Else nun duzte. Doch als sie es schließlich bemerkte, blieb sie dabei. Was ist sie schon mehr als ich?, dachte sie. Wir beide sind einem Geistlichen als Hilfen zugeteilt.
    «Geschwätz aus Angst. Nichts sonst. Der Teufel muss mir diese Worte eingegeben haben. Nehmt es mir nicht krumm. Ich bin nur ein dummes Weib. Also, hier ist der Schlüssel.» Erneut streckte Else dem Pater die Hand entgegen.
    Wieder hielt Karla Fürchtegott am Arm zurück. «Und wir bleiben?»
    Pater Fürchtegott ließ seinen Blick zwischen Else und Karla schweifen. «Was ist los mit dir? Warum willst du unbedingt hierbleiben?», flüsterte er Karla ins Ohr.
    Karla dachte an den schwarzen Jo und daran, wie ähnlich sie sich ihm fühlte. In ihrem ganzen Leben hatte sie noch keine Freundin gehabt. Nur die alte Grit. Zum ersten Mal hatte sie jemanden getroffen, der vielleicht ein wenig so war wie sie. Sie konnte ihn jetzt nicht schon wieder verlassen. Nichts wünschte sie sich mehr, als dass der schwarze Jo ihr Freund sein möge, sie sich nicht länger so furchtbar allein auf dieser Welt fühlen möge. Die alte Grit war tot, und Pater Fürchtegott war gut zu ihr. So gut, wie ein Vater es sein mochte. Aber unter die Haut gekrochen war ihr noch nie einer. Nicht die Brüder, nicht die Schwestern. Keiner. Nur beim schwarzen Jo hatte Karla das Gefühl gehabt, er würde dicht neben ihr stehen. Und nicht gegenüber, wie die anderen.
    «Augenblick, Else.»
    Karla packte den Pater beim Kuttenärmel und zog ihn ein Stück weg. «In diesem Dorf stimmt etwas nicht, Pater. Die Michelsmüller dort drüben im Tal. Und der

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