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Teufelsmond

Teufelsmond

Titel: Teufelsmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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wahr?»
    Der Pater legte eine Hand auf die Bibel. «Sprichst du fremde Götter an?»
    «Nein.»
    «Sprichst du Gebete dabei?»
    «Das Ave-Maria und das Vaterunser.»
    «So geh, in Gottes Namen. Aber siehe zu, dass du bald wieder zurück bist. Wir müssen die heilige Messe vorbereiten.»
     
    Das Dorf lag still, als Karla den Weg vom Pfarrhaus bis zum Heidelberg ging, in der Hand ein Säckchen mit den Rauchkräutern. Die Sonne war noch nicht ganz hinter dem Rimberg verschwunden, trotzdem hatten die Alweröder schon ihr Tagwerk beendet. Die Katen lagen still, und nur hinter zwei oder drei Fenstern erblickte Karla einen Lichtschein. Es war, als wäre das Dorf von Gott und der Welt verlassen worden.
    Nach der letzten Kate bog sie nach rechts ab und erklomm einen kleinen Hügel. Oben angekommen, atmete Karla tief durch, nahm das Kräutersäckchen in beide Hände und schloss die Augen. Wie aus weiter Ferne hörte sie die alte Grit sagen: Du musst dich ganz auf die Sache konzentrieren, du musst dich mit der Natur verbinden. Nichts darf deine Gedanken ablenken.
    Still stand Karla, spürte den Wind auf ihren Wangen, hörte das Knarren der alten Bäume, schmeckte die Luft auf der Zunge. Ihr Herzschlag wurde mit jedem tiefen Atemzug ruhiger. Eine ganze Weile stand Karla so, ehe sie das Kräutersäckchen ein Stück emporhob und dabei murmelte: «Möge der Geist der Pflanzen in euch wirken nach bester Kraft. Mögen die Götter uns beistehen.»
    Dann hielt sie inne und fügte ein Ave-Maria und ein Vaterunser hinzu.
    Als sie die Augen wieder öffnete, stand ein altes Weiblein vor ihr und betrachtete sie mit neugierigen Blicken. «Was tust du da?», fragte sie. Sie trug einen Korb mit Reisig auf dem Rücken. Reisig?, dachte Karla. Warum sammelt sie Reisig, wenn das halbe Dorf nur noch zum Verheizen taugt? Überall liegen Bretter und Äste herum, und sie geht in den Wald?
    «Ich bereite die Kräuter für die Räucherung vor», erwiderte Karla. «Da, seht selbst.» Sie streckte das Leinensäckchen von sich.
    Das alte Weiblein schüttelte den Kopf. «Du wirst keinen Erfolg haben damit. Das, was hier vor sich geht, sitzt tiefer. Kein Rauch kann es vertreiben.»
    «Was meint Ihr damit?»
    «Nur das, was ich sage.»
    Das Weiblein setzte den Korb ab und kramte darin herum. «Hier, nimm das. Lege es auf die Fensterbretter und auf die Türschwellen, aber achte darauf, dass niemand es berührt.»
    Karla nahm das getrocknete Gewächs entgegen, drehte und wendete es. «Wolfsmilch?», fragte sie. «Ist das Wolfsmilch? Was soll ich damit?»
    «Lege es auf die Hausöffnungen und frag nicht. Tu einfach, was ich dir sage. Und nimm auch das hier.»
    Karla starrte mit großen Augen auf die Wurzel, die das Weiblein ihr hinhielt. Die Wurzel war dunkel, hatte Ärmchen und Beinchen wie ein vertrocknetes Menschlein. «Alraune», flüsterte Karla voller Ehrfurcht. «Die Zauberwurzel.»
    «Ja. Sprich nicht darüber. Zerkleinere sie einfach und gib ein wenig davon ins Räucherwerk.»
    «Die Alraune, sagt die alte Grit, wächst nur unter einem Galgen. Ein schwarzer Hund muss sie ausgraben. Wenn ein Mensch sie berührt, schreit sie. Und der Hund stirbt hernach.»
    Das Weiblein verzog geringschätzig den Mund. «Ammenmärchen. Weiche sie über Nacht in Wein ein. So hat es die heilige Hildegard von Bingen getan. Dann trockne sie und räuchere Euch damit. Vielleicht bleibt das Pfarrhaus so verschont.»
    «Verschont von was? Warum macht Ihr das?»
    Das Weiblein zuckte mit den Achseln. «Du bist zu jung zum Sterben.» Dann nahm sie ihren Korb und eilte davon. Karla sah ihr nach, und sie hätte schwören können, dass sich das Weiblein nach zehn Schritten einfach in Luft aufgelöst hat.
     
    «Was weißt du über das alte, zahnlose Weiblein?», fragte Karla die Else, die träge in der Küche hockte und einem schwarzen Kater, dick und faul wie sie selbst, den Bauch kraulte. «Welches alte Weiblein?»
    Karla beschrieb die Frau mit dem Reisigkorb, so gut sie konnte. «Ach, du meinst die alte Alrun. Früher hat sie mit Kräutern gehandelt. Aber vor ein paar Jahren hat sie um ein Haar das Kind des Glenbauern mit ihrem Trank vergiftet. Gekotzt hat es über sieben Beete. Die Glenbäuerin hat es kopfüber gehalten, damit alles rauskam, was die Alrun ihm eingeflößt hatte. Danach ging’s besser mit dem Kind. Sie ist nicht ganz richtig im Kopf, aber harmlos. Du musst nichts auf ihre Worte geben; das tut niemand hier.»
    Karla spitzte die Lippen und dachte nach. War die Alrun

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