Teufelsmond
etwa so eine Frau wie die alte Grit? Eine, die man rief, wenn man sie nötig hatte, und verspottete, wenn alles gut war?
«Woran glaubt sie, die Alrun?»
Else zuckte mit den Achseln. «Weiß ich’s? In der Kirche habe ich sie schon gesehen. Doch es heißt, sie glaubt an die Geister der Pflanzen.» Else lachte meckernd. «Als ob so ein Blättchen oder ein Halm einen Dämon beherbergen könnte! Ich sag’s ja, sie ist nicht mehr ganz richtig im Kopf. Zeitverschwendung, über sie zu reden. Sag du mir lieber, wann das Räuchern losgeht. Ich meine das richtige Räuchern. Nicht wie heute Mittag bloß die Reinigung.»
«Wie ich gesagt habe, um Mitternacht. Du solltest auf keinen Fall die Beichte vergessen. Ohne Beichte wirkt die Räucherung nur halb so gut.»
Dann verzog sich Karla in ihr Kämmerchen und tat mit den Wurzeln, was die alte Alrun sie geheißen hatte.
Die kleine Dorfkirche war von innen ebenso schlicht wie von außen. Ein Dutzend grau gestrichene Bänke standen im Kirchenschiff. Der Altar war mit einem verblichenen Tuch bedeckt, dahinter hing ein hölzernes Kreuz mit dem Herrn Jesus. Die Kerzen standen in Messingleuchtern, die angelaufen waren, und der Abendmahlskelch sah nicht besser aus als der Weinkrug in mancher Schenke. Es gab keinen Blumenschmuck und auch sonst kein Zeichen dafür, dass das Haus des Herrn geliebt und in Ehren gehalten wurde.
Karla saß in der ersten Reihe und betrachtete Pater Fürchtegott, der allein vor dem Altar stand, ohne Messdiener.
«Wo sind sie denn alle?», fragte Fürchtegott. «Das Läuten ist längst verklungen; die Kirche müsste voll sein nach einem solchen Sturm.»
Karla zuckte mit den Achseln und sah sich um. Die Kirche war so leer wie der Abendmahlskelch vorn auf dem Altar.
Mit einem Mal knarrte die schwere Tür, und die alte Alrun schlüpfte herein. Sie nahm ihr Umschlagtuch von den Schultern und schüttelte es aus. «Es schneit draußen», erklärte sie. «Und es ist so glatt, dass einem die Füße wegrutschen.»
Die dicke Else kam aus der Sakristei gewatschelt. «Dieses faule Volk», schimpfte sie. «Sobald eine Schneeflocke zu Boden fällt, verkriechen sie sich hinter ihren Öfen. Was soll man machen? Bauern halt.»
Pater Fürchtegott nickte. «Nun, wo auch nur zwei im Namen des Herrn zusammenkommen, da ist auch der Herr. Wir werden heute die Messe zu viert feiern.»
Er breitete die Arme aus und rief den Herrn an, dann begann er mit seiner Predigt. Karla hörte gut zu. Pater Fürchtegott erzählte die biblische Geschichte, die er ihr heute Mittag in der Pfarrhausküche erzählt hatte. Jesus, der beschuldigt wurde, der Satan zu sein. Aber hier interessierte sich scheinbar niemand für diese Bibelstelle. Die Else saß am Rande der ersten Bank und pulte an ihren Fingernägeln herum. Zwei Mal gähnte sie, ohne sich die Hand vor den Mund zu halten. Und einmal hob sie sogar den Fuß, fuhr mit der Hand in den dicken Strickstrumpf, wühlte darin herum und roch hernach an ihrer Hand.
In der Kirche war es kalt. So kalt, dass die Holzbänke lauter knarrten, als der Pater sprechen konnte. Karla begann nach einer Weile, mit den Zähnen zu klappern, und Else duckte sich tief in der Bank zusammen. Nur Alrun saß aufrecht und lauschte auf die Worte des Paters. Hin und wieder nickte sie sogar.
Als Fürchtegott das Glaubensbekenntnis sprach, knarrte die Kirchentür ein weiteres Mal in den Angeln, und die dürre Bernadette huschte herein. Auch ihr Umhang war über und über mit Schnee bestäubt. Sie trat an das Weihwasserbecken, bekreuzigte sich und hockte sich neben Alrun in die letzte Bank, aber doch so, dass ein gehöriger Abstand zwischen den Frauen blieb.
Doch so rasch sie auch hereingehuscht kam, so schnell war sie am Ende des Gottesdienstes wieder verschwunden, auf den Fersen gefolgt von Else und Alrun. Der Beichtstuhl blieb leer.
Um Viertel vor Mitternacht war vor dem Pfarrhaus Lärm zu vernehmen. Karla, die dem kranken Pfarrer Dippel ein wenig Honigmilch einflößte, lauschte angestrengt. Der Dippel lag in seinem Kissen, die Wangen bleich, die Augen glänzend, und lächelte so zufrieden, dass Karla befürchtete, ihm gefiele es in der Welt der Kranken so gut, dass er beschlossen hatte, dort zu bleiben. Als er den Becher leer getrunken hatte, war der Lärm noch stärker angeschwollen. Karla deckte den Kranken zu und eilte nach unten.
Auf der Schwelle des Pfarrhauses stand die dicke Else, rieb sich die rote Nase und kreischte: «Das könnte Euch so
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