Teufelsmond
allmächtigen Gott. So sollst du Rauch werden, vom Bösen gereinigt, zum Heile der Gläubigen, und wo immer du gebraucht wirst, soll alles Böse, alles Schändliche und alles Widrige vor dir weichen. Im Namen des Vaters», hier malte der Pater ein Kreuz in die Luft, «des Sohnes und des Heiligen Geistes.»
« AMEN !»
Das Wort der kleinen Gemeinde war ein einziger Seufzer, ein Aufstöhnen der Erleichterung, das durch das ganze Pfarrhaus getragen wurde. Einen Augenblick standen alle still, kein Glied bewegte sich, kein Wort erklang. Die Ruhe schwebte beinahe greifbar durch den Raum, und ein jeder war überzeugt, dass Friede in sein Herz gekommen war.
Aber kaum war das Amen verklungen, hob die Else Kopf und Arme und scheuchte die Alweröder samt der Stille und Andacht mit einem «Kuschkusch» durch den Flur und die Treppe hinab ins Freie.
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Zehntes Kapitel
Lange saß Pater Fürchtegott in der Nacht der Räucherung am Krankenlager von Pfarrer Dippel und ließ sich über die wenigen Kirchgänger aus. «Was ist los mit Eurer Gemeinde? Nach einem Unwetter sind die meisten Kirchen proppevoll. Nur die Eure war leer. Gibt es irgendetwas, das ich wissen sollte?»
Der Dippel griff nach seiner Kopfwunde und verzog schmerzvoll das Gesicht, dann flüsterte er: «Beim barmherzigen Gott, ich weiß nichts. Gar nichts weiß ich. Nur bitte ich Euch von Herzen, bleibt hier. Ihr dürft nicht weggehen.»
«Aha.» Pater Fürchtegott kratzte sich den Bart. «Das habe ich schon einmal gehört. Doch mir scheint, die Leute brauchen mich nicht.»
«Sie brauchen Euch dringender, als sie glauben. Es gibt nichts, was hier nötiger ist als ein Exorzist.»
«Warum? Was meint Ihr damit?»
Pfarrer Dippel sah Fürchtegott in die Augen. «Ich habe es vergessen», sagte er leise, dann drehte er sich auf die Seite und tat, als schliefe er.
Später in der Küche fragte Fürchtegott: «Sag, wie entwickelt sich die Kopfwunde?» Die Else hockte schon wieder am Küchentisch, hatte sich mittlerweile nur einen Schemel für die Füße geholt. Sie kuschelte sich in ein Schaffell und erwiderte gleichgültig: «Gott, was soll schon sein? Die Wunde ist halt groß. So etwas dauert. Ich meine, er braucht vor allem Ruhe.»
Karla, die in einem Topf über der Feuerstelle rührte, hielt den Löffel nach oben. «Ich kenne mich nicht besonders gut aus mit solchen Wunden, aber mir scheint, die Heilung verläuft ganz, wie sie soll. Jeden Morgen und jeden Abend wechsle ich den Verband. Bisher hat sich kein Wundbrand eingeschlichen. Und er fiebert auch nicht.» Sie leckte nachdenklich die Grütze vom Holzlöffel, ehe sie fortfuhr: «Obwohl es mir schon zu denken gibt, dass er sagt, der Schmerz wolle und wolle nicht vergehen.»
Sie war den ganzen Vormittag über in der Kammer des Kranken gewesen, hatte die Bettwäsche gewechselt, die Stube gekehrt und gewischt und danach eine Schale mit Kräutern auf seinen Nachttisch gestellt. Dann hatte sie den Pfarrer gewaschen, hatte vergeblich die Else um Hilfe gerufen, um den Mann zu drehen – «Mein Gott, der nackte Pfarrer, da komme ich nicht. Mach du das, schließlich ist er mein Herr. Und den Herrn sollte man nicht nackig sehen» –, ihn allein gedreht und ihm frische Wäsche angezogen. Sie hatte ihm das Haar gekämmt, das Gesicht rasiert und schließlich zugesehen, wie der erschöpfte Kranke nach dieser Prozedur selig einschlief.
Danach hatte Karla ihre erste Stunde bei Pater Fürchtegott gehabt. Es hatte eine Weile gedauert, bis sie den Pater davon überzeugt hatte, dass es für eine Gehilfin von größter Wichtigkeit ist, lesen und schreiben zu können. Aber schließlich hatte Fürchtegott eingewilligt und mit Kreide ein paar Buchstaben auf eine Schiefertafel geschrieben. Ein K, ein A, ein R, ein L und noch ein A. Und Karla hatte, die Zungenspitze zwischen den Zähnen, die Buchstaben nachgemalt. Nie war sie stolzer gewesen, als sie zum ersten Mal ihren Namen geschrieben hatte.
Nun stand sie in der Küche und kochte die Grütze für ein spätes Abendbrot, weil die Else unter furchtbarem Herzrasen litt. «Mein Herz, ich könnte meinen, es wolle aus meinem Busen fliehen, so schlägt es um sich. Die Aufregung, der Michelsmüller, die Räucherung, das alles war zu viel für mich. Ganz schwach fühle ich mich auf den Beinen, ganz zittrig sind die Hände. Ich fürchte, alles, was ich heute anfasse, geht zu Bruch.»
Also stand Karla am Herd, schaufelte die Grütze in Holzschalen, legte Löffel hinzu
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