Teufelspfad
anzugehen.
Die Schwester brauchte zehn Minuten, um ihn zu finden. Er schlurfte an ihrem Arm über den Flur, das zerstörte Gesicht zur Seite gewandt. Sie nahm ihn mit ins Gewächshaus und bat Taylor, ihr zu folgen. Sobald Joshua saß, lächelte sie, berührte ihn beruhigend an der Schulter und ging.
Er hatte Taylor den Rücken zugewandt und drehte sich auch nicht um. Als er sprach, waren die Worte sehr leise und etwas undeutlich, zischend.
„Ich erinnere mich an dich“, sagte er. Seine bleichen Hände umfassten den Topf einer zarten weißen Orchidee. Mit dem Zeigefinger prüfte er die Erde. Sie schien feucht genug zu sein, denn er nickte stumm vor sich hin.
„Ich heiße Taylor“, sagte sie.
„Du hast eine Waffe. Ich kann das Metall riechen.“
„Ich bin Polizistin, Joshua.“
„Ich weiß. Du hast meinen Vater getötet.“
Sie zuckte zusammen. Sich denen, die zurückgeblieben waren, persönlich zu stellen, war nie leicht. Sich im gleichen Raum mit dem Kind eines abscheulichen Serienmörders zu befinden, der sie verspottet und benutzt und schließlich gezwungen hatte, sein Leben zu nehmen, war vermutlich das Schwerste, was sie seit Jahren getan hatte.
„Joshua …“
„Nicht. Er war ein böser Mann.“
Das war die Untertreibung des Jahrhunderts. Eric Fortnight war ein kranker, verdrehter Mistkerl, den nur seine rheumatische Arthritis und die damit einhergehende Verkrüppelung seiner Hände gezwungen hatten, das Morden aufzugeben. Sein Körper hatte einfach nicht mehr mitgespielt. Als er es nicht länger ertrug, als der Drang, zu töten, zu groß wurde, hatte er seine soziopathische Tochter losgeschickt, um ihm einen Helfer zu suchen. Einen Mörder, der für ihn mordete. Einen Lehrling.
Charlotte hatte sich für Ewan Copeland entschieden.
„Bist du hier glücklich, Joshua?“
„Ich vermisse meine Vögel.“ Er drehte sich zu ihr um, und sie musste sich zusammenreißen, um nicht scharf einzuatmen. Sein Gesicht, sein armes Gesicht, sah aus wie eine geschmolzene Kerze. Seine Augen waren da, wo seine Wangen sein sollten, eines auf jeder Seite, nach außen und unten gerichtet, ähnlich wie bei den Vögeln, die er so sehr liebte. Seine Nase war eine Nadelspitze mit zwei Löchern, sein Kinn existierte praktisch nicht. Seltsamerweise waren seine Lippen normal; ein wenig breit, aber voll und gesund und hellrot. Seine Zunge, die von der Krankheit angeschwollen war, war hinter ihnen zu sehen. Als hätte er in einen blutigen Apfel gebissen.
Der Anblick seiner Gesichtszüge war fürchterlich verstörend, aber Taylor wusste, dass er komplett blind war und das Grauen in ihrem Gesicht nicht sehen konnte. Sie schloss die Augen und bemühte sich, es auch aus ihrer Stimme herauszuhalten. Dieser Mann hatte in seinem Leben schon zu viele Angstseufzer mit anhören müssen.
„Du hattest zu Hause Vögel?“
„Ja, einen Garten. Wie diesen hier. Nur größer. Und draußen. Ich vermisse ihn.“
„Joshua, können wir uns setzen?“
Er nickte, und sie folgte ihm zu einer kleinen Steinbank unter einem Regal voller violetter Orchideen. Sie setzten sich. Joshua griff unter die Bank und holte einen braunen Kasten hervor. Taylor erkannte ihn wieder – seine Flöte.
„Die Blumen mögen Musik. Ich spiele zwei Mal am Tag für sie.“
„Ja, das gefällt ihnen bestimmt.“ Taylor legte eine Hand auf seine, um ihn daran zu hindern, den Flötenkoffer zu öffnen. „Joshua, ich habe eine sehr gute Freundin, die in Gefahr schwebt. Erinnerst du dich an den Mann, den du letztes Jahr angeschossen hast?“
„Troy. Ich hasse ihn.“
„Sein wirklicher Name ist Ewan. Und er hat meine Freundin entführt.“
„Er ist zurückgekommen, um sich zu rächen. Vater hat immer gesagt, dass er das tun würde. Er hat meine Schwester umgebracht. Er hat Charlotte getötet.“
Taylor zwang sich, zu schlucken.
„Ja, das hat er getan. Und jetzt fürchte ich, dass er meiner Freundin das Gleiche antun will. Ich glaube, er hat sie zu eurem alten Haus gebracht. Wirst du mir helfen, Joshua? Sagst du mir, wie man hineinkommt? Hilfst du mir, sie zu retten?“
„Es gehört mir nicht mehr. Die Bank hat es sich genommen. Sie können es nicht verkaufen, weil niemand in dem Haus eines Serienmörders wohnen will. An der Hintertür hängt ein großes Schloss.“
„Ich weiß. Aber machen wir einen Deal. Ich weiß, dass du Jane Macias aus dem Haus deines Vaters gelassen hast. Sie hat mir erzählt, es gäbe einen Tunnel, einen verborgenen Eingang, und
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