Teufelsstern
Form eines Adlers hatte. Hier konnte der Priester hoch oben über den Kirchenbesuchern stehen und seine Predigt halten. Überall an den Wänden waren Gemälde. Ein Heiliger, gespickt mit Pfeilen. Ein anderer, den man auf ein Rad gebunden hatte. Eine Kreuzigung. Warum musste das Christentum immer so grausam und düster dargestellt werden?
Auf halbem Wege zum Altar, an der Stelle, an der die Seitenschiffe der kreuzförmig gebauten Kirche abzweigten, stand plötzlich ein Mann auf und winkte ihn zu sich. Er hatte in einer der Bankreihen gesessen und sein Gesicht mit den Händen verdeckt. Matt erkannte ihn sofort an seinem Übergewicht, den silbrigen Haarbüscheln, den roten Wangen und kleinen, wässrigen Augen. Er trug einen zerknitterten Anzug ohne Krawatte. Bei sich hatte er ein Päckchen, das in braunes Papier gewickelt war.
»Matthew Freeman?«, fragte er.
»Ja, ich bin Matt.«
»Du weißt, wer ich bin?«
»William Morton.«
Der Antiquitätenhändler sah anders aus als in dem Fernsehbericht, den Matt gesehen hatte. Irgendetwas hatte ihm seine Arroganz und seine Selbstsicherheit genommen. Er schien sowohl seelisch als auch körperlich geschrumpft zu sein. Jetzt, wo er ihm gegenüberstand, erkannte Matt auch, dass der Mann unrasiert war. Graue Stoppeln wucherten auf seinen Wangen und seinem Hals. Und er hatte sich anscheinend auch tagelang nicht mehr umgezogen. Ein übler Schweißgeruch ging von ihm aus.
»Du bist noch sehr jung.« Mr Morton blinzelte ein paarmal. »Du bist nur ein Kind.«
»Was haben Sie erwartet?« Matt machte sich keine Mühe, seine Gereiztheit zu verbergen. Er hasste es, wenn man ihn als Kind bezeichnete. Außerdem wusste er immer noch nicht, was das alles sollte.
»Hat man es dir nicht gesagt?«, fragte der Mann.
»Man hat mir gesagt, dass Sie ein Buch haben. Eine Art Tagebuch…« Matt warf einen Blick auf das braune Päckchen, und Morton umklammerte es automatisch fester. »Ist es das?«
William Morton antwortete nicht.
»Mir wurde ausgerichtet, dass Sie mich treffen wollten«, fuhr Matt fort. »Sie möchten Ihnen das Buch abkaufen.«
»Ich weiß, was sie wollen!« William Morton sah sich hektisch um. Plötzlich war er misstrauisch. »Bist du allein?«, zischte er.
»Ja.«
»Komm mit!«
Bevor Matt noch etwas sagen konnte, war der Mann auch schon durch eine Bankreihe geeilt und hastete in einen der Seitenflügel der Kirche, in dem keine Besucher saßen. Matt folgte ihm langsam. Er hatte das Gefühl, dass der Antiquitätenhändler ein wenig verrückt war. Aber gleichzeitig wusste er, dass die Unruhe des Mannes begründet war. Er musste wieder an den Farmer Tom Burgess denken, der ihn in Lesser Malling angesprochen hatte und der später umgebracht worden war. Der Farmer war genauso panisch gewesen. Als Matt dem Mann in die dunkelste und hinterste Ecke der Kirche folgte, begriff er, dass William Morton Todesangst verspürte.
Er wartete, bis Matt ihn eingeholt hatte, dann begann er hektisch zu flüstern. In diesem Teil der Kirche war niemand außer ihnen. Wahrscheinlich hatte er ihn deshalb gewählt.
»Ich hätte das Tagebuch nie kaufen dürfen«, brach es aus ihm heraus. »Aber ich wusste natürlich, was es war. Ich hatte schon von den Alten gehört. Ich weiß ein wenig über ihre Geschichte… natürlich nicht viel. Niemand weiß viel über sie. Aber als ich das Tagebuch auf einem Markt in Córdoba entdeckt habe, wusste ich sofort, was es war. Es gibt Leute, die behaupten, es habe nie existiert. Und noch viel mehr, die denken, dass der Verfasser – der heilige Joseph von Córdoba – verrückt war. Der verrückte Mönch. So haben sie ihn genannt.
Und da war es! Unglaublich. Es schien nur darauf gewartet zu haben, dass ich es mitnehme. Die einzige niedergeschriebene Geschichte der Alten: Raven’s Gate. Und die Fünf!« Als er diese Worte aussprach, wurden seine Augen groß, und er starrte Matt an. »Es war alles da«, fuhr er fort. »Der Anfang der Zeit, unserer Zeit. Der erste große Krieg. Er wurde nur durch einen Trick gewonnen…«
»Ist es das?«, fragte Matt zum zweiten Mal und deutete auf das Päckchen. Er wollte die Buchübergabe so schnell wie möglich hinter sich bringen.
»Ich dachte, es würde ein Vermögen wert sein!«, flüsterte er. »Davon träumt jeder Buchhändler – eine jahrhundertealte Erstausgabe zu finden oder die einzige Ausgabe eines Buches, das als verloren galt. Und dieser Fund war sensationell. Ich war im Fernsehen und habe allen davon erzählt.
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