Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition)
hierher kommen, sie sind eine Gefahr für Ferdinand, für Euch und für mich. Aber ich weiß auch, dass man nicht jeder Gefahr aus dem Weg gehen kann, sonst verschwinden die Lebensfunken, und sonst vertrocknet man wie eine Pflanze ohne Wurzeln.»
Er wunderte sich, wohin ihn seine Rede trieb – eigentlich stand er hier, um seinen Wutausbruch zu entschuldigen und ein vernünftiges Machtwort zu sprechen. Damit seine Alchimistenküche eine Alchimistenküche blieb und sie weiterhin unbehelligt forschen konnten.
Wenn nur dieses Messer zu hacken aufhörte!
Er berührte mit den Fingerkuppen ein Bündel gedörrten Salbeis am Balken, strich sich leicht zitternd über Mund und Wangen und überlegte fiebrig, was er tun konnte, um diesem grässlichen Hämmern einen Riegel zu schieben.
«Eine Blume, es stimmt, eine Blume sollte blühen, nur, da ist die Angst vor dem Wanderer, ich meine, er könnte sie ausreißen. Mir ist bekannt, dass Ihr ein reiches Wissen von Eurem Vater habt. Von Kindesbeinen an habt Ihr es gesammelt, auf den Jahrmärkten und während der unzähligen Visitationen.»
Er schluckte, beobachtete, wie Lenas linke Hand neue Kräuter aufs Brett schob und kleine Stücke davon unter der Wucht der Klinge vom Tisch spickten.
«Es wäre eine Schande und gegen den Willen Gottes, wenn dieses reiche Wissen in Euch verkümmerte, darum verstehe ich, wenn Ihr Kranke pflegt.»
Kaum hatte er das gesagt, wusste er, dass er sich vergriffen und aus einer Vielzahl von möglichen das falsche Register gezogen hatte.
Er presste seine Zunge gegen den Gaumen und sah auf das Messer, das, ein kleiner Trost, langsamer wurde und nicht mehr so heftig vor sich hinhackte.
«Mein Laster», nuschelte er, «ist der jähe, unbeherrschte Zorn. Und nicht selten, das ist vollkommen verrückt, trifft dieser Zorn Menschen, die ich mag, die mir besonders ans Herz gewachsen sind. Das ist merkwürdig, gewiss, vielleicht kann ich meine Zuneigung, meine Liebe nicht anders zeigen.»
Zögerlich legte Lena das Messer weg und schob Arno ein bisschen zur Seite, um sich umzudrehen und aufmerksam in seinem Gesicht zu lesen.
«Lasst gut sein!», sagte sie schließlich leise, «ich muss zugeben, Ihr habt mich erschreckt, ich habe Euch vorher nie so zornig erlebt.»
«Könnt Ihr mir verzeihen?»
Ein hilfloses Zucken des linken Mundwinkels war vorerst die einzige Antwort, doch dann nickte sie, und es gelang ihr ein Lächeln.
«Bum, Bum», rief Arno und rannte auf ihn zu, um ihm seinen Stecken in den Bauch zu stoßen. Gerade noch rechtzeitig konnte ihn der Abt an der Schulter fassen und ihn an sich drücken.
«Du willst wohl eine Geschichte hören. Eine Räubergeschichte? Oder die Geschichte von Zaubervögeln, die auf Wuschelköpfen frecher Buben nisten?»
Wieder war ihm über die Lippen gerutscht, was er am liebsten zurückgenommen hätte. Es war ihm nicht darum, Geschichten zu erzählen. Einen langen Streifzug durch den Wald, danach stand ihm der Sinn. Um zu vergessen, was für eine Dummheit er eben angerichtet hatte. Oder um zu überlegen, wie er das verflixte Zugeständnis ungeschehen machen und Lena zur Vernunft bringen konnte.
«Nein», meldete sich die helle Knabenstimme, «wir spielen. Ihr seid der böse Wolf und ich bin der Jäger!»
«Wrrrr!», knurrte der Abt, «wrrr!»
«Nicht böse genug! Böser!»
Der Abt schüttelte den Kopf.
«Heute nicht, genug Glas zerbrochen für diesen Tag, heute wirklich nicht!»
Kapitel 4
Arno
März anno domini 1579
Ein halbes Jahr später
Arno drückte die Nase ans einzige Fenster des Waldhauses und versuchte, durch die trüben Butzenscheiben etwas von der Stimmung draußen in der Dämmerung zu erhaschen.
Seit einiger Zeit schon tat er das und noch hatte er nicht vor, damit so schnell wieder aufzuhören.
Denn was war das für ein Abend!
Das Leben war am Erwachen, mit jedem Atemzug roch man das! Die Tage wurden wieder länger, die Sträucher und Bäume trugen dicke Knospen, und der Schnee vor dem Haus war längst geschmolzen – der Winter, das war trotz vorgerückter Stunde unübersehbar, hatte den Rückzug angetreten und die Wiese draußen von der eisigen Umarmung freigegeben, auf der er noch vor kurzem mit Ferdinand und Lena herumgetollt hatte.
Wild und spannend war das gewesen!
Arno schluckte und klopfte mit dem Zeigefinger leicht gegen den Fensterrahmen.
War der Rückzug des Winters wirklich wünschenswert?
Wollte er wirklich, dass er schon vorbei war?
Einiges würde ihm im Frühling
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