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Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition)

Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition)

Titel: Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urs Bigler
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zerreißen?
    Er rupfte ihn aus der Futtertasche und fächerte sich damit Luft zu.
    Warum nicht?
    Zerreißen und in alle Windrichtungen fortpusten, das hätte dieses Stück Papier verdient, war es doch allein daran schuld, dass ihn Pater Clemens so behandelt hatte. Nicht einmal zu Wort hatte er ihn kommen lassen, ja nicht einmal begrüßt hatte er ihn, nur diesen Brief hatte er im Kopf gehabt und ihn wie einen lästigen Almosenbettler abgefertigt. Und das ausgerechnet heute, da er sich ihm hatte anvertrauen wollen.
    Knurrend steckte er den Brief wieder ein und schlenderte weiter.
    Er hatte es nicht eilig, warum auch?
    Mit kurzen, langsamen Schritten, so wurden Botengänge erledigt, wenn man nicht begriff, wie man anständig zu bitten hatte, und man gedankenlos über einen hertrampelte!
    Ein bisschen Anstand, das war doch nicht zu viel verlangt!
    Gemächlich ging er weiter und erreichte schließlich, nachdem er für den Aufstieg mindestens doppelt so lange benötigt hatte wie sonst, die Stelle auf dem Triefenberg, wo dem Wanderer das ganze Land zu Füssen lag und aus der Tiefe das Rauschen eines fließenden Gewässers zu hören war.
    «So schnell wie der Wind!», murmelte er und schüttelte den Kopf. Das hatte Pater Clemens nun davon, wenn er nicht anständig zu fragen verstand, eilige Botengänge hatten ihren Preis, die waren nicht umsonst!
    Dem fernen Wassergeflüster lauschend, zog er mit den Zehen einen Kreis ins Gras und zertrat die Halme, die sich darin befanden.
    Er würde sich nicht weiter aufregen, basta!
    Warum auch?
    Bei diesem Wetter?
    Er hob die Hand über die Stirn und ließ den Blick durch die flimmernde Sommerlandschaft gleiten.
    Was für ein Tag!
    Alles, was man jetzt noch bräuchte, wären richtig starke Augen, die alles durchdrangen und mit denen man in jeden Winkel des Landes gucken konnte, und das dauernd, uneingeschränkt, wie ein Gott, dem nichts entging.
    Er merkte, wie sein Puls leicht höher schlug.
    Er würde sie sehen, fortwährend, er würde sie zu Hause in Kleinkirchen beobachten, beim Flicken, beim Wasserholen und beim Kochen von Hafermus und Milch fürs Abendbrot.
    Und wehe ihr, wenn er sie beim Scherzen mit einem Kerl aus dem Dorf ertappte!
    Dann würde er...
    Himmelherrgott, was würde er dann?
    Die Frage war knifflig, kniffliger als er erwartet hatte.
    Er ließ seinen Arm sinken, beugte seinen Kopf vornüber und strich mit dem rechten Fuß über das zertretene Gras.
    Die schwierigste Hürde wären die Dorfbewohner, da musste man keine Bücher gefressen haben, um das zu wissen.
    Sie sähen in ihm einen Fremden, einen Eindringling, wie eine Phalanx würden sie ihm ihre Spieße entgegenstrecken. Ein Nebenbuhler hätte daher freie Bahn, würde von früh bis spät Mirjam umgarnen, und ihm, Arno, wären die Hände gebunden.
    Er tat zwei Schritte zum Wegrand hin, zu einer ehemals mächtigen Tanne, die auf halber Höhe geborsten war, lehnte sich an den Stamm und riss einen langen, dicken Grashalm aus, um ihn in den Mund zu stecken und an ihm herumzukauen.
    Ob er Mirjam vertrauen durfte?
    Er spuckte den Grashalm aus, ersetzte ihn durch einen frischen und begann, ihn nervös mit den Lippen zu pressen.
    Er konnte sich gewiss auf sie verlassen. Sie wäre treu, sie würde nicht ansprechen auf die Kapriolen eines Bauerntölpels. Wenn sie hier wäre, würde sie jeden Zweifel im Keim ersticken, sie würde ihren Kopf an seine Schulter drücken, ihm ihren warmen Atem an den Hals hauchen, er würde ihr duftendes Haar streicheln und versuchen, sie unter den Armen oder am Bauch zu kitzeln. Und er würde...
    Er spürte, wie ihm leicht übel wurde und sich seine Eingeweide zusammenzogen. Er konnte nicht mehr sein ohne sie, er ertrug sich nicht mehr, ohne sie war er nur ein halber Mensch, unfähig, ein einziges Alltagsgeschäft zu verrichten.
    Er schob mit der Zunge den Grashalm über die Lippen, schaute zu, wie er zu Boden fiel und fing an, herumzutänzeln und in die Luft zu schlagen. Er achtete dabei nicht, wohin er trat und spitze Steine und Wurzeln bohrten sich in seine nackten Sohlen. Er schrie nicht, biss nur die Zähne zusammen und beschloss, dass tausend spitze Steine in seinem Fleisch besser waren als dieses Nichts, dieses entsetzliche, entleerende Nichts.
    Seine Bewegungen wurden schneller, wilder, bis ihm der Schweiß aus dem Gesicht zu tropfen begann und seine Beine schwer und steif wie Mörtelsäcke wurden.
    Erschöpft wischte er sich mit dem Ärmel über die Stirn, lehnte sich wieder an den

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