Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition)
versammelte sich. Festliche Musik spielte auf. Unter einer Art von Gerüst wurde ein mächtiger Scheiterhaufen errichtet. Dann hing man an dem Gerüst einen Sack oder Korb mit den Katzen auf. Sack oder Korb fingen an zu glimmen. Die Katzen fielen in den Scheiterhaufen und verbrannten, während sich die Menge an ihrem Schreien und Miauen erfreute. Gewöhnlich waren König und Hof anwesend. Zuweilen ließ man dem König oder dem Dauphin die Ehre, den Scheiterhaufen anzuzünden. Und wir hören, dass einmal auf besonderen Wunsch König Karls IX. ein Fuchs gefangen und mitverbrannt wurde.
Im Grunde ist das gewiss kein schlimmeres Schauspiel als die Ketzerverbrennungen, als Foltern und öffentliche Hinrichtungen der verschiedensten Art. Es erscheint, wie gesagt, nur deswegen als schlimmer, weil sich hier die Lust, Lebendiges zu quälen, so nackt, unverhüllt, zweckfrei, nämlich ohne eine Entschuldigung vor dem Verstand zeigt.»
(Norbert Elias, Über den Prozess der Zivilisation )
Buch 2: Kummerlingen
Kapitel 1
Pater Clemens,
Juli anno domini 1587
Fast drei Jahre später
Halt, hiergeblieben, du dummes Miststück!
Mit beiden Händen umklammerte der Abt das Geländer und klemmte die Papierrolle fester unter die Achsel, die mächtigen Verselbständigungsdrang hatte und ihm beinahe hinuntergefallen wäre.
Kurze Zeit sah er in den offenen Raum unter ihm und schüttelte den Kopf.
Das war eben haarscharf gewesen!
Gedankt sei dem Wachengel vom Dienst, der hatte ausnahmsweise ganze Arbeit geleistet!
Nicht auszudenken, wenn er genötigt gewesen wäre, wieder hinunterzugehen und den Aufstieg von neuem zu beginnen. Einer Tortur wäre das gleichgekommen, bei dieser Treppe, die irgendein verrückter Bauherr trotz der abschreckenden Erfahrung von Babel in den Himmel hatte hochziehen müssen.
Er hob das rechte Bein und kämpfte sich die verbleibenden Stufen hoch, um schließlich auf die Galerie zu stolpern und sich mit einem verzweifelten Griff nach der Brüstung vor einem Kniefall zu retten. Alles drohte dabei aus den Fugen zu geraten und schwankte um ihn herum.
Am schlimmsten in Bewegung war das Gestell vor seiner Nase, es weckte den Eindruck, als würde es nächstens kippen und ihn unter den hohen Folianten, all den kostbaren, handgeschriebenen Raritäten und all den Erstausgaben mit sorgfältig gebundenen Lederrücken begraben.
War nun sein Ende gekommen?
Er senkte das Kinn auf die Brust und fand, dass ein solches Ende zwar auf sein Leben zugeschnitten wäre wie der Deckel auf den Kessel, es ihm aber zu gegebener Stunde ganz und gar nicht in den Kram passte.
«Ruhig atmen, alter Esel», knurrte er, «ruhig atmen, man hat dir ja keinen Morgenstern über den Helm gehauen, dein Stündlein hat noch nicht geschlagen. Und überhaupt, da steigt Meister Schnitter nicht hoch, diese Treppe ist viel zu steil für ihn!»
Als hülfe das Zureden, wurde der Boden allmählich fester unter den Füssen, und die Kraft kehrte in seine Glieder zurück.
Er murmelte ein Dankesgebet, beschloss, den Restschwindel einfach zu ignorieren, und wankte zu einem grob geschnitzten Erlöser, der sich dank einem spendablen Vorvorgänger zwischen währschaften, verschnörkelten Gestellen, inmitten von Wissen und Gescheitheit eine Nische ergattert hatte und seither ein unscheinbares Dasein fristete.
Er blieb davor stehen, klatschte mit der Papierrolle auf den Bauch und fand sich in Anbetracht der zu kurzen Beine und Arme der Figur in einem Grundsatz bestätigt – dem Grundsatz, niemals Künstler zu unterstützen, für die Schnitzerei offensichtlich nur Nebenerwerb war und die ihr täglich Brot damit verdienten, Balken und Bretter zuzuhauen oder von früh bis spät mit der Axt auf Bäume einzuschlagen.
Er nahm die Rolle in die linke Hand, prüfte mit der freien, ob der Erlöser fest genug angenagelt war, und beschloss, Milde walten zu lassen und Ihn ungeachtet seiner mangelnden Proportionen zu einem Gespräch zu verpflichten. Jetzt musste gebeichtet werden, was schon längst hätte gebeichtet werden müssen, mediokere Schnitzerkünste hin oder her.
Mit festem Blick hob er das Kinn und rollte den Bogen auseinander.
«Seht, irgendetwas läuft krumm! Von den Scholastikern, den Aposteln, von Plato, überhaupt von all diesen weisen Köpfen will er nichts wissen. Umso mehr aber von der Lehre des Hermes Trismegistos, sie lässt ihn nicht mehr los, wie ein fleißiger Studiosus beackert er sie.»
Obschon diese Provokation den Erlöser
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