Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition)
Stamm, und entschied, das zu tun, was er immer tat, wenn er keinen Ausweg mehr sah – Pulvermischungen, er würde Pulvermischungen memorieren.
Er schluckte, wischte sich nochmals über die Stirn und nahm einen ersten Anlauf.
Für eine Mehrpfündige fasse man vier Teile Salpeter und vier Teile Schwefel und vier Teile…und…
…einen Kuss von ihren Lippen und nochmals einen Kuss von ihren Lippen. Das ergab Zündstoff, den besten der Welt.
Er schüttelte den Kopf und erklärte sich für besiegt.
Wenn Pulvermischungenmemorieren versagte, versagte jedes andere Mittel auch.
Er brauchte sie, gehörte in ihre Nähe.
Mirjam war die Einzige, für die er da sein wollte, Mirjam mit ihrer dunklen Stimme, mit ihrem schelmischen Blick, mit ihrem vollen Lachen, Mirjam, ohne die jeder Atemzug, jeder Herzschlag und jede Bewegung unsinnig waren, Mirjam, die ihn verstand, wie er sie verstand. Sie war der Mensch, mit dem es sich zusammen zu sein lohnte, er war für sie geboren, sie war für ihn geboren, so einfach war das.
Er ließ einen Seufzer fahren, der jäh aus seiner Brust stieß und ihn in seiner Heftigkeit verblüffte.
Machte er sich nicht etwas vor?
Konnte er sich ihrer wirklich sicher sein?
Sie hatte sich ihm gestern entzogen, als hätten seine Berührungen geschmerzt und wären sie etwas Schlimmes gewesen. An den Tagen zuvor hatte sie sich fast überall betasten lassen. Sie dürften das eigentlich nicht tun, zuerst müssten sie Mann und Frau sein, hatte Mirjam gesagt. Darüber hatte er mit Pater Clemens reden wollen, aber ausgerechnet heute war dieser vermaledeite, verfluchte Brief angekommen.
Ärgerlich riss er ihn zum zweiten Mal aus dem Wams.
Sollte er ihn anzünden?
Warum war Mirjam so abweisend?
Er warf den Brief zu Boden und starrte ihn an.
Da war ein Nebenbuhler!
Mirjam war hübsch, jeder Bauernstrolch in Kleinkirchen würde ihr schöne Augen machen und ihr nachstellen. Und das Gerede von Mann-und-Frau-Sein war am Ende bloß Verlegenheitsgewäsch, eine billige, blöde Ausrede, nichts mehr!
Er griff nach einem armdicken morschen Ast, von dem sich die Rinde ablöste, hieb ihn einige Male heftig in die Luft und schleuderte ihn den Abhang hinunter.
Sie durfte keinem anderen, keinem dieser einfältigen, einspurigen und groben Bauernbengel gehören! Nein, niemals, das musste er verhindern!
Aber wie?
Er hob den nächsten Ast auf, balancierte ihn auf Zeige-und Mittelfinger und tanzte um den Brief herum.
Blumen, ein Gedicht, eine Zeichnung, Schwärmer, Raketen... – wie nur könnte er sie für sich gewinnen? Vielleicht mit einem Feuerwerk?
Sofort hörte er auf zu tanzen und blieb stehen.
Dieser Einfall kam direkt vom Himmel geschneit!
Ein Feuerwerk für Mirjam!
Das war es! Das konnte ihm keiner nachmachen, damit würde er sie erobern, ein für alle Mal.
Er stieß einen schrillen Pfiff aus, warf das Holzstück weg und nahm den Brief vom Boden auf.
Pater Clemens sei verziehen, für dieses Mal!
Er würde diesen Botengang erledigen, ausnahmsweise.
Er sprang in die Luft und rannte los.
Zuerst zum Waldhaus, zu Ferdinand, dann zur Höhle, zu seiner Werkstatt. Dort lagen Raketen, genug für ein gewaltiges Feuerwerk! Mirjam würde verblüfft sein, hingerissen, sie würde ihm gehören, für immer.
**
Er reckte seinen Kopf, gerade so hoch, dass er sich einen Überblick verschaffen konnte, stand auf und schlich sich gebückt zu einer Linde, wo er zwei Bündel von der Schulter nahm und ins Gras legte, das eine mit mehrkammerigen, aufwändig gefertigten Raketen, das andere mit einkammerigen und schnellen Schwärmern, alles in allem fünf Dutzend sorgfältig verarbeitete Feuerwerkskörper, die er in den vergangenen Wochen und Monaten mit hochwertigem Pulver gestopft hatte und in dieser Nacht zünden würde.
Er spürte, wie es in seinen Fingerspitzen prickelte, massierte sich kurz die Schultern und schaute sich um.
Das war der richtige Platz!
Von unten sah man ihn nicht wegen der leichten Kuppe, und von oben konnte man ungestört über das Geschehen wachen. Darum war er geeignet, dieser Ort, wie kein anderer!
Hier würden Raketen und Schwärmer über Leben und Liebe entscheiden!
Er trat zur Kuppe, kroch auf allen Vieren hoch und warf einen Kontrollblick nach Kleinkirchen hinunter, wo reger Betrieb herrschte und jeder zum Dorfbrunnen drängte, Kinder, junge Burschen mit Kühen und Ziegen und Frauen mit dickbauchigen Tonkrügen, alle waren unterwegs, dorthin, wo an diesem heißen Sommertag
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