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Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition)

Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition)

Titel: Teufelszorn - Funkenfluch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urs Bigler
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eines Mädchens legte und etwas von «Tränenprobe nicht bestanden» sagte.
    Das Mädchen sah ihn aus angstgroßen Augen an und ließ sich an der Hand fortziehen. Mit ihm entfernten sich auch die anderen Menschen vom Platz, schweigend, in sich gekehrt, gelegentlich leise miteinander redend wie gescholtene Kinder, gingen sie auseinander.
    Ein weiteres Mal versuchte sich Arno aufzustützen, um sogleich zurück in den Schlamm zu sacken.
    Ende der Vorstellung!
    Er war futsch, seine Knochen waren futsch, futsch war alles an ihm!
    Ab auf den Friedhof mit ihm!
    Als er kurz hochblickte, fiel ihm ein Mann in Bauernkleidung auf, der an ihm vorbeischlurfte und ihm wegen einer dicken Warze auf der Nase bekannt vorkam. Er glich einem Ackermann, dessen Krätze Lena behandelt hatte. Er hatte mitgeschrien, vorher. Jetzt gaffte er ihn an, kalt und teilnahmslos.
    Auch er ein Judas.
    Arno schloss die Augen und ließ seinen Kopf zurück in den Schlamm sinken. Menschen wollte er nicht mehr sehen, Menschen trugen Eiterbeulen, die jederzeit aufbrechen mochten, und sie verbargen unter Handschuhen Krallen, mit denen sie plötzlich angreifen und einem das Gedärm aus dem Bauch reißen konnten.
    Darum war er jetzt ein Igel.
    Er würde sich einrollen und der Welt spitze Stacheln entgegenstrecken, so dass jeder, der ihn anfasste, blutete wie eine Sau. Und niemals würde er sich wieder zurückverwandeln. Das Menschsein würde er anderen überlassen, dazu verknurrte ihn niemand mehr.
    Er schluckte und versuchte, einen dicken Kloß hinunterzuwürgen.
    Vor ihm das Nichts, hinter ihm das Nichts.
    Aufwachen, befahl er sich, Augen öffnen!
    Der Kopf war zentnerschwer.
    Die graue Gefängnismauer gegenüber wuchs, warf einen immer längeren Schatten.
    Allmählich dämmerte es.
    Nur fort von hier.
    Er spannte die Muskeln.
    Sie gehorchten. Gehorchten sie?
     
    **
     
    Das Erste, was er sah, als er aus verzehrendem Fieberschlaf aufwachte, war ein Frauengesicht, es war so runzlig wie eine vertrocknete Rübe und blies ihm Knoblauch-Atem entgegen.
    «Vielleicht ist das eine Prüfung, von Gott selbst», knarrte eine Stimme aus einem Männergesicht daneben, «wir bestehen sie nur, wenn wir wie der barmherzige Samariter handeln. Es lohnt sich vielleicht, denk an das Jüngste Gericht.»
    «Und», knarrte sie eine Spur selbstsicherer, «du weißt, das Alter, der Bursche kann uns nützlich werden, wenn uns der Humpelmann auf die Schultern klopft. Da können wir von Glück reden, wenn wir zwei starke Arme für Sense und Pflug haben.»
    «Still», putzte ihn das Frauengesicht ab, «du und dein Geschwafel. Solltest schon längst im Stall sein. Oder glaubst du, die Kühe melken sich selbst?!»
    Der Mann gehorchte, schlappte vom Bett weg und verließ den Raum. Mit steinerner Miene wartete die Frau, bis die Türe zufiel, dann murmelte sie etwas, fuhr Arno mit ihren rauen, schrundigen Händen über die Wangen und kontrollierte seine verbundenen Finger. Wenig später ging auch sie, und er war wieder allein mit sich und dem rußigen Gebälk über dem Bett, das stets leicht zu schwanken und rauchigen Dunst auszuschwitzen schien.
    Er schloss die Augen, um sie aber rasch wieder zu öffnen und sich blinzelnd seiner Sehkraft zu versichern.
    Schlief er oder wachte er?
    War diese Stube Traum oder Wirklichkeit?
    Er war ein Kopf und zwei Beine.
    Er rannte.
    Die Torwachen überrumpelte er, er rannte einfach an ihnen vorbei. Die Lungen stachen, es wurde dunkel, er lief über Wiesen, durch den Wald und belebten und verlassenen Wegen entlang. Es wurde hell. Er lief, bis ihn etwas schrecklich Schweres zu Boden drückte.
    Bald wühlte eine Gestalt mit ledrigem Gesicht in seinen Taschen, bald waren es deren zwei oder drei.
    Dann wieder das schwere Gewicht.
    Mühsam drehte er sich zur Seite, betastete kurz den Verband um seinen Kopf und klammerte sich an die Laubsäcke. Und je länger er das tat und je stärker die Finger schmerzten, desto glaubwürdiger wurden das Bettgeviert, das Strohpolster und das fleckige Lacken, auf dem er lag.
    Er war zurück.
    Er träumte nicht mehr.
    Er war zurück in einer Welt, in der Menschen hinter lächelnden Lippen Wolfsgebisse trugen, Unschuldige ermordeten und Hexen folterten.
    Mit stumpfem Schädel sah er sich im Raum um, musterte den Herd und das viele Milchgeschirr darum herum und heftete den Blick auf das einzige Fenster, das mit einer Tierhaut dichtgemacht war und durch das ein wenig Tageslicht schimmerte.
    Draußen schepperte der Mann mit einem Kessel

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