Teuflisch erwacht
hatte ihm einen großen Dienst erwiesen. Sie zu töten machte keinen Sinn. Er fokussierte den Gedanken, schickte eine Warnung in seine Glieder und suchte sich einen Weg in Cynthias Kopf. »Hör mir zu, Hexe«, flüsterte er. Er durfte die Stimme nicht heben, sonst bräche die Hürde und er verlöre womöglich die Beherrschung. »Du wirst vergessen, was du in Italien tust. Du fährst auf direktem Weg nach Hause und streichst meinen Namen für immer aus deinem Gedächtnis.«
Ihr Puls beschleunigte, ihre Stirnader klopfte gegen seine Fingerspitzen. Er musterte sie abschätzend. Cynthia war stark, aber schließlich huschte ein dunkler Schatten durch ihre blaue Iris. Ihre Gesichtszüge entspannten und ihr Herzschlag beruhigte sich.
Sebastian versuchte abzuschätzen, ob er das richtige Maß getroffen hatte. Bei seinem letzten Versuch, einem Menschen die Erinnerung zu nehmen, war das mächtig in die Hose gegangen. Marla, die es damals getroffen hatte, wusste nicht mal mehr, wie sie eine Gabel in der Hand zu halten hatte. Er fuhr prüfend in Cynthias Verstand und ließ zufrieden ihr Kinn los.
Ein wahrer Kampf tobte durch sein Blut. Es tat so gut, die brennende Dunkelheit pulsierend in seinen Venen zu spüren. Mit jedem Herzschlag schrien die Poren seines Körpers danach, die Zügel aus der Hand zu geben und seine Seele sang ein Duett mit dem magischen Rausch. Er atmete flach und stoßweise. Warum sollte er dem Drang einen Riegel vorschieben? Die schwarze Magie gehörte zu ihm. Sebastian schloss die Augen. Er durfte es nicht zulassen, auch wenn es das Leben leichter machte. Lernen war wie Rudern gegen den Strom. Sobald man aufhörte, trieb man zurück. Er wollte nicht zurücktreiben. Seine Vergangenheit musste Vergangenheit bleiben, denn es brachte ihn nicht weiter, alte Gewohnheiten zu pflegen. Er spannte die Glieder an, ballte die Hand zu einer Faust und gebot dem rauschenden Strom Einhalt. Die Dunkelheit zog sich zischend zurück. Er hatte sich im Griff und war ein guter Schüler seiner selbst. Als ihm bewusst wurde, dass er die schwarzen Fäden so weit gelöst hatte, dass Patrick von seinem Fluch befreit wurde, war es zu spät. Er nahm eine Bewegung aus den Augenwinkeln wahr, richtete sich auf, wirbelte herum und sah Patrick, der sich lautlos heranpirschte. Einen Menschen hätte er vielleicht überlistet, aber ganz sicher keinen Magier.
Sebastian schnellte vor, um Patrick zu packen, aber er griff ins Leere. Blitzschnell sprang Patrick einen Schritt zurück, öffnete die Faust und pustete ihm grünen Staub entgegen. Das Pulver umwehte ihn, traf ins Auge und stieg in die Nase. Es blieb keine Zeit, die Luft anzuhalten, bevor seine Sinne taub wurden. Sebastian fuhr sich übers Gesicht, versuchte den Staub aus der Lunge zu husten, aber er schaffte es nicht. Ein grüner Schleier breitete sich aus. Er rief die Magie zurück und die Dunkelheit trat gegen den Nebel an. Die Farben vermischten sich, verbündeten sich und der Vorhang fiel.
Der Schweinehund hat mich betäubt , war das Letzte, was er dachte. Das Grün verschlang ihn und mantelte ihn restlos ein, während die schwarze Magie still verrauchte.
8. Kapitel
Der Teufel persönlich
A nna zitterte wie Espenlaub. Sie bildete sich ein, die Wagenheizung würde schneidende Kälte ausblasen. Sie fraß sich tief in ihre Knochen. Die leise Angst, die ihr Herz seit Monaten umkreiste, hatte nun doch kräftig zugepackt und verstärkte ihren klammernden Griff, als drohte sie, das Organ am Schlagen zu hindern oder es gleich zu zerquetschen. Der Ort war mehr als unheimlich. Marla hatte nicht übertrieben.
Annas achtzehnter Geburtstag stand bevor. Ein guter Tag, um Hamburg zu bereisen, jedoch wäre ihr die Reeperbahn weitaus lieber gewesen. Dieses Viertel präsentierte die Stadt von ihrer schrecklichsten Seite, fernab glamouröser Lichter und fröhlicher Menschen. Da sollte noch mal jemand behaupten, in St. Pauli liefe man Gefahr, einem Verbrechen zum Opfer zu fallen. Wer bitte verirrte sich in diesen Bezirk?
Auf dem Weg hierher waren sie über unzählige Brücken gefahren, denn es gab mehr in dieser Stadt als in Venedig, London und Amsterdam zusammen. Je nordöstlicher sie fuhren, umso frustrierender war der Anblick geworden.
Fröstelnd zog Anna die Jacke enger, rieb sich die Arme und blickte durch die Windschutzscheibe. Es war ein Fenster in die Hölle. Der Innenhof, in dem Marla den Wagen geparkt hatte, wirkte schäbig und dreckig. Selbst der Schnee konnte den
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