Teuflische Freunde: Roman (German Edition)
Touren immer Essbares, Wasser und eine Waffe dabei. Das war hier draußen eine Selbstverständlichkeit.
Er öffnete den Kofferraum, wühlte herum und hievte das Ersatzrad zusammen mit dem Werkzeugkasten heraus. Dann bückte er sich und untersuchte den Schaden. Die Radkappe des vorderen Reifens auf der Beifahrerseite berührte fast den Asphalt. Mit zusammengekniffenen Augen begutachtete er das Werkzeug – den Wagenheber, das Stemmeisen, die Radmuttern. Er war so in die Betrachtung der Gegebenheiten versun ken, dass er das Motorrad, das neben ihm angehalten hatte, erst bemerkte, als der Typ gerade den Ständer ausklappte. Dylan blickte hoch. Der Typ trug einen Vollvisierhelm mit Schutzbrille, eine Lederjacke und dünne schwarze Handschuhe.
»Brauchen Sie Hilfe?«
Eine tiefe Stimme. »Klar, Mann, vielen Dank.« Der Typ bückte sich, starrte den Reifen an, sagte aber nichts. »Ich glaub, ich hatte eine Reifenpanne«, brachte Dylan schließlich hervor.
»Sieht so aus. Keine große Sache.« Der Blick des Mannes wanderte von dem schuldigen Reifen zum Rücken des Jungen. Er schaute besonders auf einen fünf Zentimeter breiten Spalt Haut zwischen dem Bund der Shorts und dem Saum seines T-Shirts – ein hübscher nackter Fleck sonnengeküssten Gewebes in der Lendenwirbelregion.
Eine perfekte Stelle.
Die ganze Angelegenheit nahm ungefähr dreißig Sekunden in Anspruch.
Der Mann ließ eine rasiermesserscharfe Klinge über Dylans Rücken gleiten und führte sie fachmännisch genau zwischen die Lendenwirbel des Jungen, schlitzte die Sehnen durch und drückte die Klinge tiefer hinein ins Rückgrat. Einige starke und geschickte Stöße vor und zurück, und in wenigen Augenblicken war das Rückenmark des Jungen durchtrennt. Keine einfache Angelegenheit: Die Wurzel war dick und fest und faserig. Man brauchte schon einiges Können, um sie in zwei Hälften zu schneiden. Der Teenager konnte froh sein, dass der Mann die Kraft und das Know-how besaß, die Arbeit schnell und sauber durchzuführen. Die Sache war erledigt, bevor Dylan überhaupt verarbeitet hatte, was nicht mehr funktionierte. Mit geweiteten Augen und offenem Mund fiel Dylan zu Boden und brachte stöhnend ein paar kehlige Geräusche hervor.
Sollten die Notärzte rechtzeitig bei ihm sein, hätte er eine Überlebenschance. Aber seine Beine wären ab sofort nutzlose Anhängsel, eine krank machende Erinnerung an das, was er verloren hatte.
Viel wichtiger allerdings war: Sein Schwanz wäre genauso nutzlos.
Die Verletzung war hoch genug angesetzt, dass Dylan alle Gefühle sowie motorischen Fähigkeiten in der unteren Körperhälfte verlieren würde. Und das war genau das, was Donatti wollte.
Wortlos nahm er Dylans Portemonnaie an sich und fischte alle Scheine heraus. In diesem Teil des Landes war Raub immer noch das Hauptmotiv aller Überfälle.
Er ließ den Jungen zusammengesunken auf dem Boden liegen, schwang sich auf sein Motorrad und fuhr wieder los, wobei sein Ziel nicht weit weg vom Ort des Geschehens lag. Ein paar Kilometer weiter südlich änderte er abrupt die Richtung, bis er in der offenen Wüste unterwegs war. Er hätte die Stelle auch ohne Navigationsgerät gefunden, aber GPS machte es so viel einfacher.
Die zweimotorige Cessna wartete schon.
Er stieg vom Motorrad und montierte schnell die Räder und den Lenker vom Rahmen ab. Danach entledigte er sich seiner Jacke, der Handschuhe und des Helms. Er räumte alles in das Gepäckfach des Flugzeugs.
Fünfzehn Minuten später war er in der Luft.
Das Flugzeug war langsam, aber es glitt auf einer sorgfältig ausgearbeiteten Route unter dem Radarschirm hindurch. Mit zwei Übungsflügen im Sack war er zuversichtlich. Als er drei Stunden später auf einer privaten Piste landete, spürte er endlich wieder, wie die Luft in seine Lungen zurückkehrte. Die Landung war keine einfache – eine Rasenfläche mitten in den Klippen der Sierra –, und es war hundertprozentig der schwerste Teil des ganzen Einsatzes. Vor fünf Jahren hatte er hundert Hektar Wald gekauft, vor allem weil sich darin eine hübsche Landebahn für sein nicht registriertes Flugzeug befand. Geschäftlich flog Donatti entweder erster Klasse oder in einem für bestimmte Zeiten gebuchten Jet. Dieses Flugzeug benutzte er ausschließlich zu seinem Privatvergnügen, oder wenn er Geschäfte unter dem Radarschirm zu tätigen hatte.
Und diese Angelegenheit zählte definitiv dazu.
Er holte die Teile des Motorrads aus der Halterung und baute alles zusammen.
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